15 Kerzen für den Weltfrieden, aber wehe der Urlaub erzeugt Leiden.
Die „Nacht der 70.000 Kerzen“ hieß eine deutschlandweite Aktion der Kirchengemeinden und Friedensinitiativen. Auch im Magdeburger Dom gedachte man unter diesem Motto der Atombombenabwürfe (6. und 9. August 1945) über Hiroshima und Nagasaki.
Nagasaki war zu DDR-Zeiten mal Partnerstadt Magdeburgs. Und obwohl die Gefahr des Einsatzes atomarer Vernichtungswaffen auf der Erde kaum geringer geworden ist, sondern eher wahrscheinlicher, weil immer mehr Staaten über die Massenvernichtungstechnologie verfügen und sich Konfliktherde wie Flächenbrände ausweiten, scheint das Interesse für einen stillen Protest, fürs Gedenken an die Opfer und die gemeinsame Demonstration für den Frieden gering. Am 6. August standen zwölf Menschen am Barlach-Mahnmal und hatten ganze 15 Kerzen entzündet. Was schert uns der Weltfrieden, wenn wir tausendfach von Kriegs-, Diktatur- und Wirtschaftsflüchtlingen bedroht werden? Wenn es ans eigene Hemd geht, an die Teilung von Lebensraum und nationalen Ressourcen rückt die gemeinschaftliche Mahnung gegen Krieg und Atom-Tod-Risiko in den Hintergrund. Die Bedrohung durch atomare Waffen ist abstrakt geworden, obwohl sie um keinen Deut abgenommen hat. Natürlich ermüden permanente Predigten über dieselbe Sache irgendwann. Mit der Zeit klingen Appelle wie theorisierte Panikmache. Wie soll man ständig an etwas glauben, was real nicht greifbar ist. Der Vergleich mag hinken, aber der schwindende Protest-Prozess gegen Atomwaffeneinsätze gleicht ein wenig dem Glaubensverlust. Eine fortwährende Predigt über den Schöpfer erschöpft sich im Geiste der Menschen, wenn Gottes Greifbarkeit nicht begreifbar wird. Der Problemhorizont unserer Zeit begrenzt sich häufiger daran, ob die Freizeit ausgefüllt ist, die Urlaubsreise weit genug in die Welt reicht, das Gemüse Bio heißt und warum es Stau auf der Autobahn gibt. Vielleicht genügt manchmal ein ehrlicheres Bekenntnis, dass es mit unserem Weitblick rund um den Planenten und über die Gefahren, die Menschen sich gegenseitig erzeugen gar nicht so weither ist, wie wir uns gegenseitig in Botschaften zurufen. Egal, ob durch Medien transportiert, von Politikern proklamiert oder von Künstlern und Stars appelliert. Das hiesige Leben findet vor der Haustür statt und hinter den Mauern des privaten Rückzugraumes, jedoch nicht auf anderen Kontinenten. Und selbst wer dorthin reist, bleibt nur kurz im abgeschirmten Touristen-Reservat. Wahrscheinlich sehe ich das alles zu dramatisch und am Ende war es an der Domgemeinde, die den Aufruf nicht wirkungsvoll unter die Magdeburger brachte. Es ist ein Teufelskreis mit den Aufrufen – irgendwann verhallen sie alle im Nichts.
Thomas Wischnewski