Eine Reise durchs Land zu Fans und Förderern

Linksaußen Matthias Musche und Torhüter Dario Quenstedt (v.r.) geben Fans Autogramme und beantworten die Fragen ihrer Anhänger. Foto: Grit Stieger

Linksaußen Matthias Musche und Torhüter Dario Quenstedt (v.r.) geben Fans Autogramme und beantworten die Fragen ihrer Anhänger.
Foto: Grit Stieger

Die Sachsen-Anhalt-Tour der SCM-Handballer zeigt, die Mannschaft ist tief in der Region verwurzelt. Die Begegnungen im Land schweißen Spieler, Fans und Sponsoren fester zusammen. Das ist kein Zufall, sondern strategisches Konzept des Managers.

Von Heinz-Josef Sprengkamp

Zum Vereinsjubiläum beim HBC Wittenberg quetschen sich bei tropischen Temperaturen 850 Menschen in die rappelvolle Stadthalle. Holger Krause, der stellvertretende Vorsitzende des HBC: „Damit haben wir nicht gerechnet. Der Ansturm auf die Tickets für das SCM-Spiel hat alle Erwartungen übertroffen. Es ist bekanntlich Ferien- und Sommerzeit. Mit viel Optimismus haben wir auf 500 bis 600 Fans gehofft.“ Solche Höhepunkte in der Provinz sind kein Zufall, sondern Konzept.
In Sachsen-Anhalt sind Tausende Fans sportlich auf den SCM gepolt, nicht nur als stimmungsvolle Kulisse in der GETEC-Arena, sondern auch als „Passivsportler“ vor dem Fernseher oder Radio, als Freunde und Förderer in der Stadt und Region, als Kommentatoren in den sozialen Netzwerken oder freundlich bis kritische Leserbriefschreiber. In der Saison 2014/15 besuchten im Schnitt mehr als 6.000 Zuschauer die Heimspiele des SCM, der Verein hat via Sport1 Magdeburg x-fach live ins Fernsehen gebracht. Das Highlight: Die Berichterstattung rund um das Final Four mit dem Finalteilnehmer SCM erreichte eine Reichweite von annähernd 50 Millionen Zuschauern senderübergreifend. Für alle sichtbar: Das sportliche Premiumprodukt SC Magdeburg bewegt emotional. Auf und neben dem Platz geben alle alles, um Rot-Grün nach vorne zu bringen. Es ist ein Unterschied im Arbeitsalltag in Magdeburg und überall dort, wo SCM-Fans leben, ob der Verein tags zuvor sein Spiel gewonnen oder verloren hat. Im Erfolgsfall geht die Arbeit leichter von der Hand, das emotionale Grundgefühl ist heiter und beschwingt. Der Verein ist passend zum 60-jährigen Vereinsjubiläum ein wichtiger Wohlfühlfaktor, er schafft Identifikation. Ist das ein Selbstläufer?
Dass der Verein eine solch hohe Identifikation in der Region erreicht, ist nicht bloß Produkt einer glorreichen Vergangenheit, die den ersten deutschen Champions League Sieger zu einem der drei erfolgreichsten Handballvereine Deutschlands macht. Das ist Ergebnis von sportlichem Einsatz und Erfolg, medialer Präsenz und lokaler Verwurzelung und Verbundenheit mit der Region, aus der heraus der Verein zum Werbeträger und Botschafter der Landeshauptstadt und des Landes Sachsen-Anhalt wird. Das macht Arbeit – und zwar täglich und braucht Events, mit denen dies immer wieder unter Beweis gestellt werden kann.
Der SCM bietet – auch abseits der großen Saisoneröffnung – Handball zum Anfassen, indem er Sportereignisse in und mit der Region präsentiert. Das sieht man am besten, wenn Bundesliga-Handballer wie immer in den vergangenen fünf Jahren zur Sachsen-Anhalt-Tour aufbrechen. Im Ergebnis der Reise zu Förderern und Fans sollen alle Beteiligten etwas mitnehmen. Vielleicht Staunen, oft Begeisterung und viel Hoffnung. Die Palette der möglichen Emotionen ist groß. Und die Mannschaft kann solche Gefühle aufgrund der Erfolge und wegen der Nähe und sportlichen Klasse der Spieler gut vermitteln. Der SC Magdeburg bietet den Vereinen ein Spiel des Jahres, von dem sie auch finanziell profitieren. Den Sponsoren, die dieses Event präsentieren, werden für andere sichtbar und zeigen sich als aktive Sportförderer. Der SCM profitiert auch selbst, weil sich die Bindung zwischen den Beteiligten vor Ort an den Verein und das gesamte Netzwerk für den Sport weiter festigt. Andere Bundesligisten werden oft einem großen Sponsor getragen. Da die Magdeburger auf viele Unterstützer bauen und sich neue für den Handball begeistern können, besitzt der Erfolges ein stabileres Fundament. Der Verein bindet heute 370 Partner an den Handball. Solche Förderer erwarten zunächst sportliche Erfolge, aber auch einen sympathischen Auftritt des gesamten Teams. Events, Medienpräsenz, Kontaktausbau und Imagepflege – das sind die Bausteine, in die Unternehmen für ihr Engagement eingebunden werden.
Apropos Medienpräsenz: Der Dienstleister Global MMK ermittelte jüngst die Werte aller Bundesligisten (HBL) hinsichtlich der Anzahl der Beiträge, Sendedauer und letztlich die TV-Reichweite. Mit weitem Abstand zur Konkurrenz belegt der SC Magdeburg hier den Spitzenplatz der Handball-Bundesliga. Erreicht wurden mehr als 67,2 Millionen TV-Zuschauer im Rahmen der HBL-Wettbewerbe. Geschäftsführer Marc-Henrik Schmedt kommentiert: „Der SC Magdeburg stößt bei guten Leistungen auf ein breites Interesse, nicht nur in der Region Magdeburg und Sachsen-Anhalt, sondern insbesondere auch in den gesamten Neuen Bundesländern. Hier nimmt der SCM eine identitätsstiftende Leuchtturmfunktion ein. Ich denke die erreichten Zahlen sind deshalb sogar für überregionale Partner interessant, die mit der dynamischen Sportart Handball werben wollen. Mit Blick auf die anstehenden Ostderbys gegen die Aufsteiger Leipzig und Eisenach hoffen wir auf eine Fortsetzung dieses erfreulichen Trends.“
Vor dem Erfolg kommt der Trainingsschweiß und zunächst die Absolvierung der Sachsen-Anhalt-Tour. Manchmal gehen Handballer des SCM dabei ungewöhnliche Wege – bei Bedarf schnappen sie sich schon mal einen Fußball. Die 2015er Tour begann traditionell mit einem Fußballspiel in Möser. Die Handballer reisten gemeinsam mit den Fans per Bahn an. 8:1 lautete das Ergebnis in diesem Jahr. Fast 1.000 Zuschauer verfolgten das Teamduell vor den Toren Magdeburgs. Dabei lief dann auch mal MDR- und SCM-Moderator Stephan Michme mit auf und schoss das Tor zum 8:1-Endstand für den SCM. Ergebnisse allerdings sind höchst zweitrangig bei der Sachsen-Anhalt-Tour. Es geht um fairen Sport mit einigen spektakulären Einlagen, um Fun, Begegnungen, die oft Volksfeste sind, um Profis zum Anfassen, die nicht nur für ein Autogramm Zeit haben. Hinzu kommt, dass sich auf diese Weise auch die neuen Spieler in die Mannschaft und ihr Umfeld integrieren. Sie werden vom Team und den Fans gleichermaßen aufgesogen. Das ist ebenfalls ein Wert der Sachsen-Anhalt-Tour, die Saisonvorbereitung, bei der man nacheinander auf stärkere Gegner trifft, eine andere. Beim BWG-Cup gab’s 2015 im Finale das erste Duell mit dem Bundesliga-Newcomer vom SC DHfK Leipzig.
Beim Internationalen Klaus-Miesner-Gedenkturnier, das 2015 bereits zum 26. Mal stattfindet, kommt dann Bundesliga-Konkurrenz und dazu das eine oder andere internationale Handball-Schwergewicht in den Harz, in diesem Jahr z.B. der polnische Champions League-Teilnehmer Wisla Plock. Dieses Turnier folgt dem Grundgedanken des Turniers (und der Sachsen-Anhalt-Tour), ambitionierte Amateure mit Handballprofis zusammenzubringen und das nicht nur auf dem Hallenparkett. Nach dem Tod des legendären SCM-Trainers Klaus Miesner 1989 wurde das traditionelle Rathausturnier in Klaus-Miesner-Gedenkturnier um den Wernigeröder Rathauspokal umbenannt und hat sich in den 90er-Jahren in der internationalen Handballszene etabliert. Es ist seit Jahren ein Höhepunkt der Sachsen-Anhalt-Tour.
Wer sich als Aushängeschild der Region versteht, den muss das umtreiben, was in der Gesellschaft an Problemen aufgeworfen wird, der engagiert sich zwangläufig auch für eine Vielzahl sozialer Projekte. Heutzutage beschreibt man dies mit drei Buchstaben: CSR (für Corporate Social Responsability), besser verständlich ist das mit dem Begriff unternehmerische Sozialverantwortung. Deshalb setzte der SCM ein Zeichen und lud zur offiziellen Saisoneröffnung 50 Flüchtlinge ein. Deshalb bietet der SCM im Rahmen der Aktion „Magdeburger Kind“ pro Heimspiel bis zu 250 Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit, live dabei zu sein. Finanziert wird dies durch die Übernahme einer Partnerschaft für diese Plätze durch ein Unternehmen. Auch das stärkt wechselseitig die Verbindung zwischen dem SCM, den Partnern, Freunden und Fans des Vereins in der Region.