Wer mitspielt gewinnt – nur einer bleibt ewiger Sieger

thomas_editorialWährend sich die einen regen, erregen sich die anderen. Irgendwie muss es da einen tieferen Zusammenhang geben. Sie wissen jetzt nicht, was ich meine? Es geht mir um die Aufregungen in den sogenannten sozialen Netzwerken des Internets. Ich muss „sogenannte“ schreiben, weil ich an der tatsächlichen zwischenmenschlichen Funktion zweifle.

Natürlich kann man bei Facebook & Co. ganz einfach und wundervoll mit entfernten oder auch nicht entfernten Menschen „verbunden“ sein, sich mit ihnen schreiben oder sich gegenseitig an den Lebensbewegungen erfreuen, die jeder jedem – meistens in Bildchen – mitzuteilen hat.
Es mag ganz nett sein, zu sehen, wo gerade jemand am Strand entspannt oder bei welcher Party man das Tier mit dem Ringelschwänzchen herauslässt. Doch was hat das mit dem eigenen Leben zu tun oder mit Sozialverhalten? Sicher, Spaß und Belustigung sind wichtigste Seelenangelegenheiten. Aber Hand aufs Herz: Finde ich wirklich ein Vergnügen dabei, andere bei einer Gaudi sehen zu können? Schwamm drüber. Im Grunde sind diese Auswüchse beiläufige Unwichtigkeiten. Viele sehen das genauso und machen es trotzdem fortwährend. Es muss also einen anderen Grund geben, der uns so derart fasziniert an diese Scheinwelten fesselt.
Eine Scheinwelt ist es immer. Denn jede Veröffentlichung – in der virtuellen Gemeinschaft heißt das korrekt „Post“, wobei das O des englichen Wortes lang gesprochen werden muss – ist nur eine unwirkliche Spur. Mit der Realität hat das wenig zu tun. Wahrscheinlich glauben wir jedoch, dass die erzeugte Virtualität doch etwas mit dem anfassbaren Leben gemein hat. Das mag das eine Phänomen sein, dass sich Mark Zuckerberg und seine Facebook-Leute zunutze machen können. Das andere könnte man im weitesten Sinne unter dem menschlichen Bedürfnis nach Anerkennung, Bewunderung und Beachtung begreifen. Wir brauchen stets und ständig eine positive Rückkopplung für alles, was wir tun und sagen. Selbst der Widerspruch oder die geäußerte Abneigung, die sich gegen Meinungen und Berichte richtet, will am Ende Zustimmung finden, dass man seinen Standpunkt vertreten hat. Diese Art der Kommunikation funktioniert in den „Social Medias“ ausgezeichnet und erfolgt oft auf dem Fuß. Sogar unterwegs, also permanent, kann man die Rückkopplung zu Botschaften oder auch geistigen Tiefflug-Attacken erhalten. Nirgendwo erfährt man schneller und vielfacher eine Reaktion als dort. In der Realität muss man erst mit anderen zusammentreffen, sie anrufen und reden oder länger auf eine Reaktion warten. Was geschieht aber mit einer Persönlichkeit, wenn es gar keine Reaktion gibt, wenn man gar ignoriert wird? Die negativen Seiten dieser Welt werden längst benannt. Enttäuschungen, Neidgefühle oder diskriminierende Wahrnehmungen vervielfachen sich im Netz eben auch, genauso wie die positiven Effekte.
Manches Mal scheint der Vergleich zum Lotteriespiel ganz schlüssig. Jeder Mitspieler, lebt in der wundervollen Illusion, eines schönen Tages könnte der millionenfache Geldsegen über dem eigenen Leben niedergehen. Jeder noch so bedeutsame Hinweis, dass die Unwahrscheinlichkeit größer als die Wahrscheinlichkeit ist, verhallt in grenzenloser Hoffnung. Und genau dieses einzigartige Menschheitsphänomen auf die Unmöglichkeit setzen zu können, macht eben auch Facebook & Co. reich. Die Plattformen sind das Illusions-Univerum für  die Träume nach Berühmtheit, virtuelle Dokumentationsflächen für die Einzigartigkeit eines jeden Menschen und dessen besondere Fähigkeiten. Jeder spielt mit und füttert die Matrix mit aufgehübschten Präsentationsbildchen, mit Heilsversprechen und Sehnsuchtssprüchen. Man glaubt, irgendwo da draußen existieren die Unbekannten, jene zauberhaften Menschenwesen, welche die Faszination des Individuums sehen und es zu Ruhm und Reichtum führen. Allerdings sei den Hoffenden auch gesagt, dass die da helfen sollen, von denselben Träumen getragen werden und genauso auf das Wunder warten, entdeckt zu werden. Sicher treffen solche Erwartungen nicht auf alle zu, aber immerhin auf so viele, dass Facebook so gut funktioniert, dass wenigstens einer berühmter und reicher wird: Mark Zuckerberg. Und der gewinnt mit jeder freiwillig verschenkten Illusion aller Nutzer. Ein Lottogewinn mag wahrscheinlicher sein, als ein gerechter Gewinn aus der Virtualität.
Thomas Wischnewski