Im Sommer locken die Urlaubsreisen. Ziele in Nah und Fern werden angesteuert, um dem Alltag zu entfliehen. Manch Häuslebauer verzichten auf die Auszeit, weil die Tilgung drückt.
Von Matthias Kühne
My Home is my Castle – diese wundervolle, alte Redewendung hat ihre tiefe Berechtigung. Wer das Eigenheim allerdings als allein seligmachende Privatburg vor dem Ungemach des Lebens betrachtet, beachtet wichtige Faktoren der Erholung nicht. Jeder Hauseigentümer weiß, dass Eigentum verpflichtet, und die Verpflichtung steckt oft in den kleinen Details. Wer aufgrund geringer finanzieller Möglichkeiten, dauerhaft auf Urlaub verzichtet, arbeitet in der arbeitsfreien Zeit meistens am Haus. Der Garten muss gepflegt werden und an irgendeiner Ecke ist immer etwas zu tun. Doch die Grundbotschaft sollte lauten: Man muss auch Mal Urlaub vom Haus machen. Die eigenen Wände mögen Sicherheit und Intimsphäre schenken, aber sie bieten grundsätzlich nicht genügend Möglichkeiten, dem Alltag zu entfliehen. Zuhause ist quasi immer Alltag, auch in der Urlaubszeit.
In Finanzierungs-Erstgesprächen begegnet mir häufig die Bereitschaft bei jungen Paare, auf Urlaubsreisen zu verzichten. Der Traum vom eigenen Haus wird gern über alles gestellt. Leider zeigt die Statistik, dass Ehen in engem Zusammenhang mit einer hohen finanziellen Belastung für die eigene Immobilie nach zwei bis drei Jahren vor dem Scheidungsrichter enden. Das traurige Fazit lautet: Nach dem Haus kam nichts mehr.
Natürlich kann man auf Reisen verzichten. Nur sollte dies kein Dauerzustand sein. Hausbau ist mehr als nur die spätere finanzielle Unabhängigkeit in der eigenen Immobilie. Unter dem eigenen Dach entstehen Konflikte oder verschärfen sich sogar mit der Zeit, weil sie eben fortwährend in derselben Umgebung gefühlt und verarbeitet werden müssen. In so einem Prozess kann der Traum vom Haus schnell zum Alptraum werden. In mancher Praxis für Psychotherapie singt man darüber schon Lieder. Bei jeder Planung muss es eine realistische Analyse über die wirtschaftlichen Möglichkeiten geben. Nur, wenn alle Lebensbereiche im Finanzplan einer Familie Berücksichtigung finden, legt man ein ausgewogenes Fundament für die Partnerschaft und das Familienleben.
Der beste Wille, wegen der Finanzierungslast auf Abwechslung im Leben zu verzichten, wird auf Dauer zu Makulatur. Verzicht und Einschränkung für das Eigenheim sind ein Nährboden für Partnerschaftskonflikte. Es ist ratsamer, die Fläche der Immobilie kleiner zu planen und dadurch geringere Finanzierungskosten zu erzeugen. Bedenken Sie auch stets, dass das Leben die meiste Zeit draußen stattfindet. Sie gehen arbeiten, sind in der Stadt unterwegs oder treffen Freunde. Deshalb kommt es weniger darauf an, ein möglichst großes Haus zu planen, sondern vorrangig, die Vielfalt an Lebensmöglichkeiten nutzen zu können. Ideen, Inspiration, neue Eindrücke holt man sich anderenorts und nicht zu Hause. Daher auch Johann Wolfgang Goehtes Ausspruch: Reisen bildet. Wir müssen uns immer wieder vor Augen führen, dass die Welt größer, geheimnisvoller und aufregender ist, als es scheinen mag, wenn man den ganzen Tag zu Hause sitzt. Reisen ist eine ständige Erinnerung an all die Dinge auf der Welt, über die wir staunen. Wer sich zu Hause einschließt, verlernt das Staunen und ein Klima grauer Gewohnheit zieht möglicherweise in die Seele ein. Ein „Traumhaus“ sollte nicht der einzige Traum sein, sondern Chancen eröffnen neue Träume zu leben.