Die jungen Menschen… was wissen die schon davon?“ Dieser Satz fiel kürzlich – mal wieder – in einem Gespräch mit einem älteren Herrn, als Krieg, Flucht aus der Heimat und die aktuelle Flüchtlings-Debatte thematisiert wurden.
Kurz vor den Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag der Deutschen Einheit könnte man dieselbe Frage auch mit Bezug auf die deutsch-deutsche Trennung stellen. Rechnet man die Zahl der Geburten seit 1990 zusammen, kommt man zu dem Ergebnis, dass in den vergangenen 25 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland knapp 20 Millionen Menschen das Licht der Welt erblickten.
20 Millionen Menschen, für die die Grenzen ihres Heimatlandes – so, wie es heute existiert – selbstverständlich sind. Die Meinung frei zu äußern, kaufen, was man braucht, diverse Länder zu bereisen (natürlich immer im Rahmen der eigenen Möglichkeiten) – ebenfalls eine Selbstverständlichkeit. Die Kenntnisse über die Geschichte und die politische Entwicklung des ehemals getrennten Landes halten sich jedoch in Grenzen. „So weit sind wir im Geschichtsunterricht gar nicht gekommen“, heißt es dann. Das trifft natürlich längst nicht auf alle nach 1990 Geborenen zu. Vor allem nicht auf diejenigen, die in einer Umgebung aufgewachsen sind, die stark von der deutschen Teilung geprägt wurde.
Da bezeichnet man die alten Bundesländer noch immer als „da drüben“. Und umgekehrt hört man auch von den jüngeren Bürgern von „da drüben“ Ossi-Witze mit einem Augenzwinkern und Sprüche, die nicht böse gemeint sind, die aber dennoch einen bitteren Nachklang haben. „Ach, ihr hattet ja damals nichts…“ Aussagen, mit denen ein nach 1990 geborener Mensch wohl nicht viel anfangen kann, die aber dennoch „weitervererbt“ werden und sich somit scheinbar hartnäckig halten. Die Frage ist, wie hartnäckig und wie lang noch? Bis diejenigen, die die Trennung Deutschlands am eigenen Leibe erfahren mussten, verstorben sind? Oder dauert es doch nicht mehr so lang, bis die Mauer in den Köpfen verschwindet?
Laut einer bundesweiten Umfrage, die das Forsa-Institut anlässlich des 25. Mauerfall-Jahrestages durchführte, sieht die junge Generation mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede zwischen Ost und West. Vor allem was politische Ansichten und die Denkweise betrifft, herrscht demnach Übereinstimmung vor. Auf die Frage, worin sich Unterschiede manifestieren, stachen drei Antworten hervor. 23 Prozent gaben an, dass das Lohngefälle zwischen West und Ost sehr deutlich sei. 19 Prozent nannten Charakterzüge bzw. Unterschiede in der Mentalität. Und 12 Prozent gaben Differenzen bei der Aussprache an. Was bei der Befragung nach den Unterschieden ebenfalls auffiel: Jedem Vierten kam gar nichts in den Sinn.
Zudem brachte die Forsa-Umfrage hervor, dass die seit der Wiedervereinigung Geborenen die Ungleichheit als regionale Differenzen bewerteten. Die Mehrheit der Befragten gab demnach an, mehr Unterschiede zwischen Nord und Süd als zwischen West und Ost zu erkennen. Also alles gar nicht so schlimm, oder? Solange die geheuchelte Ostalgie die Dinge nicht verklärt und die Unterschiede auf künstliche Weise ans Licht gezwungen werden? (th)