1. FCM: Der Wandel im Herbst

120812PG_FCM_Auerbach21Hinter den Kulissen be-wegt sich was: Wie sich der 1. FC Magdeburg auf die Anforderungen des Profifußballs einstellt.

Von Rudi Bartlitz

Der Blick reicht weit über Magdeburg, im Hintergrund reckt sich der ins herbstliche Sonnenlicht getauchte Dom aus der Silhouette der Stadt. Die Aussicht von der Dachterrasse, die sich an Mario Kallniks künftigem Büro in der Friedrich-Ebert-Straße anschließt, die hat schon etwas.

„Nicht zu vergessen“, lacht der Sport-Manager des 1. FC Magdeburg und weist in Richtung Norden, „genau auf der anderen Seite liegt die MDCC-Arena.“

Ja, der Herbst macht vieles neu beim Fußball-Drittligisten. Nicht nur, dass die Blau-Weißen als Aufsteiger mit einem geradezu frappierenden  Start die „Bundesliga des Ostens“ gehörig durcheinandergewirbelt und die Fans zwischen Altmark, Harz und Anhalt  regelrecht in Ekstase versetzt haben. Auch hinter den Kulissen des Traditionsklubs tut sich einiges. Vor allem an den Strukturen wird gearbeitet. Sie sollen den Bedingungen des Profifußballs angepasst werden. Dazu gehört, wie Aufsichtsratschef Lutz Petermann dieser Tage bekanntgab, dass die Profiabteilung des Klubs ausgegliedert werden soll. Ziel: Der Gesamtverein darf seine Gemeinnützigkeit nicht verlieren. Bei all diesen Unternehmungen stößt das Ehrenamt, das ist allen Beteiligten seit längerem klar, unweigerlich an seine Grenzen.

Kallnik, derzeit noch ehrenamtliches Präsidiumsmitglied, verantwortlich für Sport und Finanzen, ist in diesen Tagen dabei, sich auf seinen neuen Job vorzubereiten. Ab 1. Januar 2016 wird der 40-Jährige, bisher Vertriebsleiter einer großen ortsansässigen Krankenkasse,  als hauptamtlicher Geschäftsführer der Stadion- und Sportmarketing GmbH (SSG) für den Verein tätig sein. „Wir müssen unsere Strukturen neu ordnen“, umreißt  er im Gespräch mit Magdeburg Kompakt eine seiner wichtigsten künftigen  Aufgaben.

Strukturen ordnen, das mag sich für den Außenstehenden auf den ersten Blick noch als ein mehr oder weniger formaler innerbetrieblicher Verwaltungsprozess darstellen. Beim  genaueren Hinsehen hat dies jedoch erhebliche Auswirkungen auf die sportliche Zukunft des FCM. „Wir müssen die Einnahmen und Ausgaben des Klubs zusammenführen“, erläutert  der desig-nierte SSG-Manager. Bisher sind sie getrennt – zum einen im eingetragenen Verein 1. FC  Magdeburg, zum anderen in der Stadion- und Marketinggesellschaft. Die Crux dabei: Für eventuelle Verluste hätte zuallererst der Verein (sprich: die Finanzierung der Mannschaft) den Kopf hinzuhalten. „Gelingt es uns aber, Verein und GmbH  zusammenzuführen“, so Kallnik, „würde dies den Verein vor permanenter Insolvenzgefahr schützen.“

Und genau da liegt der Hase im Pfeffer. In Sachen Insolvenz  ist der FCM ein gebranntes Kind. Noch zu deutlich  haben die Fans jene schwarzen Junitage des Jahres 2002 vor Augen: Ein Jahr zuvor wurden in einem einmaligen Kraftakt der Fans binnen kürzester Frist zunächst eine Million Mark aufgebracht und zwei hiesige Banken hatten eine Bürgschaft gestellt. Doch die Blau-Weißen mussten letztlich doch den bitteren Gang zum Insolvenzrichter antreten und waren mit einer völlig neu zusammengewürfelten Truppe in die Oberliga zurückversetzt worden. Das soll und darf, da sind sich Führung und Anhänger einig, nie wieder passieren.

Auch wenn das, angesichts der Erfolge von heute, manchem wie eine Mär aus längst vergangenen Zeiten klingen mag, vergessen hat die Insolvenz in der FCM-Führung niemand. Gerade einer wie Kallnik nicht, der als Spieler und späterer Teamleiter  viele  Stationen des Marsches durch die zuweilen  unermesslichen Tiefen des Fußballgeschäfts mitgemacht hat.  „Nach der Wende“, sagt er heute rückblickend, „ist in unserem Geschäft im Osten viel Misswirtschaft betrieben worden. Und selbst mit jenen Geldern, die durch die Transfers der DDR-Stars nach Westen in den Osten geflossen sind, ist wenig Gescheites angefangen worden.“  Einstige prominente Vereine seien ganz von der Bildfläche verschwunden,  im Grunde sei über ein Jahrzehnt alles vor sich hin gedümpelt.  Das gelte auch für den FCM („Der Anspruch war hoch, aber vieles geschah unkontrolliert.“). Erstaunlicherweise seien es dann Klubs wie Cottbus und Aue gewesen, die in der DDR-Oberliga „keine tragende Rolle spielten“, die den Ost-Fußball wieder in ruhigeres Fahrwasser gebracht hätten. Weil bei ihnen, wie mittlerweile auch beim FCM, „die Wirtschaftlichkeit ganz oben steht“. Derzeit sieht Kallnik den Ost-Fußball in einer „Phase der Konsolidierung“. Viele Traditionsvereine hätten sich nach Jahren der Misswirtschaft gefangen, auch wenn eines sich grundsätzlich kaum geändert habe: „Uns fehlt einfach das Kapital.“

Hintergrund: Der Verein FCM ist in die dritte Liga mit einem Etat von 4,24 Millionen Euro gegangen. Wird das Budget der SSG hinzugerechnet, liegen die Magdeburger bei 5,4 Millionen Euro.  Zu etwa 50 Prozent  rekrutieren sich  die Mittel aus den Leistungen der Sponsoren, 14 Prozent sind TV-Gelder, der Rest kommt aus dem sogenannten Ticketing, also dem Verkauf von Eintrittskarten.

Doch fehlendes Kapital  zu konstatieren ist das eine. Es heißt nicht, sich mit dem Status quo auf immer abzufinden. Was also tut der FCM, um weitere Geldquellen – die dringend nötig sind, um den sportlichen Aufschwung abzusichern und möglichst weiter zu untermauern – zum Sprudeln zu bringen? Der Manager: „Allein mit Mentalität und Emotionen wirst du nicht bestehen können. Wir müssen also weiter nach Sponsoren schauen. Die regionale Wirtschaft hat bewiesen, dass sie nach unserem Aufstieg in die 3. Liga zu uns steht. Aber wenn wir uns weiterentwickeln wollen, muss der Blick mittelfristig  auch auf überregional agierende Unternehmen gerichtet sein.“  Während Kallnik von Mäzenatentum („Ein Modell wie das von RB mag für Leipzig zukunftsträchtig sein, für uns ist es jedoch  unvorstellbar“) und der Veräußerung von Marketing- und anderen Rechten nichts hält, will er eine bestimmte Form von strategischer Partnerschaft  mittelfristig nicht ausschließen: „Das aber immer, das betone ich, unter der Prämisse, dass ein möglicher Partner keinerlei Mitspracherechte im sportlichen Bereich erhält. Über Rendite lässt sich reden, aber nicht über Mitbestimmung. Das ist sicher kein einfacher Spagat, aber wir sollten ihn nicht ausschließen, wenn wir uns weiterentwickeln wollen.“

Töne, die in der Fan-Szene sicher nicht überall auf Gegenliebe treffen. Kallnik: „Ich verstehe die Angst der Fans, dass unsere eigenen Werte verkauft werden könnten. Ich bin ebenfalls dagegen. Und dennoch sage ich: Es führt kein Weg daran vorbei, dass wir darüber nachdenken müssen, wie wir den FCM  weiter voranbringen können.“

Wichtigste Aufgabe für den Klub ist es den Worten des Managers zufolge aber zunächst, sich in Liga drei zu etablieren: „Da haben viele der Konkurrenten uns etwas voraus. Unser Ziel kann nur sein, diesen Rückstand durch solides Wirtschaften und eine vernünftige Personalpolitik Stück für Stück wettzumachen.“ Nun trägt die dritthöchste deutsche Spielklasse  vielerorts den Beinamen Pleiteliga, muss es da nicht vorrangiges Ziel eines Vereins sein, sie so schnell als möglich hinter sich zu lassen? Kallnik: „Das mag für Klubs gelten, die ihre eigenen Ansprüche zu sehr nach oben gedrängt haben und jetzt vielleicht mit teuren Kadern dastehen. Für uns sehe ich das nicht so. Aus unserer Sicht kann man, verantwortliches Handeln immer vorausgesetzt,  in der dritten Liga durchaus bestehen. Natürlich wird, die entsprechenden Leistungen vorausgesetzt,  irgendwann  über den Schritt nach oben gesprochen werden, das ist ganz normal.“ Und wann könnte dieses „Irgendwann“ sein?  Kallnik:  „Ich wiederhole mich: Wir wollen uns Jahr für Jahr weiterentwickeln. In drei Jahren kann darüber sicher konkreter gesprochen werden …“