„Durchschnitt ist für andere“

soerenosterlandDer FCM kann am 22. Dezember sein 50-jähriges Vereinsjubiläum feiern. Sören Osterland „nullt“ im selben Monat, wird am 6.12.2015 30. Er hat von der Fußballwelt schon allerhand gesehen. Er kam jüngst als ungarischer U19-Nationaltrainer wieder mal an seine alte Wirkungsstätte und besuchte das Bundesligaspiel „seiner“ U17 gegen Tennis Borussia auf dem Nebenplatz der MDCC-Arena, anschließend noch das Spiel der U19 und das Heimspiel der Handballer des SCM gegen den HSV. Ein sportlich ambitionierter Sonntagnachmittag in Magdeburg.


Sören Osterland ist in den Nachwuchsmannschaften von Lok Stendal, VfL Wolfsburg und 1. FC Magdeburg fußballerisch groß geworden, spielte in den Landesauswahlmannschaften von Sachsen-Anhalt und Niedersachsen. Im Herrenbereich kickte er für Optik Rathenow, Lok Stendal und die U23 des FCM, beendete jedoch 2010 seine aktive Karriere. Trainertätigkeit und Studium hatten Vorrang. Er studierte Wirtschaftspädagogik und Sport an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und ist Diplom-Handelslehrer.
Schon als 21-Jähriger engagierte er sich als Co-Trainer der U17 des FCM, übernahm nach zwei Jahren als „Co“ die Mannschaft für weitere zwei Jahre, führte sie in die Spitzengruppe der Regionalliga. „Klasse, dass das Team von Marco Kurth jetzt in der B-Jugend-Bundesliga spielt: bessere Gegner, die die Jungs körperlich und technisch-taktisch auf einem höheren Niveau fordern. Das ist gut für die sportliche Entwicklung des ganzen Vereins.“
2011 kam das Angebot vom aufstrebenden RB Leipzig, wo er als Co-Trainer von Olaf Holetschek in der dortigen U17 Erfahrungen sammelte. Seinen Fußballlehrer „baute“ er im Frühjahr 2012 im Alter von 26 mit der Note 1,0 – als bisher jüngster Absolvent der Hennes-Weisweiler-Trainerakademie des DFB. Seine „Kollegen“ auf der Trainer-Schulbank waren u.a. Stefan Effenberg und Mehmet Scholl. „Er war im Lehrgang einer derjenigen Trainer, der von Anfang an in Konzepten gedacht hat“, urteilt DFB-Chefausbilder Frank Wormuth. „Er ist als Trainer mit Weitblick aufgefallen.“ Passt zum Sternzeichen Schütze, würde ein Astrologe sagen. Ein Frauenjounal formulierte mal: „Schützen müssen immer ein Ziel vor Augen haben, sonst fühlt sich ihr Leben leer an.“ Das mit den Zielen ist aber im kurzlebigen, stressigen Fußballgeschäft nicht immer ganz einfach.
Der nächste Schritt des „Fußball-Schützen“ Osterland war unerwartet, dem Lehrgang und besonders der Begegnung mit dem Bayern-Star Scholl geschuldet, mit dem er auch mal spät abends über die gemeinsame Vorliebe für Technik, Taktik und den Kabarettisten Olaf Schubert philosophierte. Der Ex-Nationalspieler holte Sören Osterland als Co-Trainer für die U23 zum Rekordmeister Bayern München, dem Verein mit den höchsten Zielen. München 2012/13: eine aufreibende Saison mit schlechtem Start, dann Aufholjagd, dennoch knapp verpasster Aufstiegsrang, dazu der zeitig feststehende Ausstieg von Scholl, die zunehmende Verantwortung für Osterland in der täglichen Trainings- und Pressearbeit. Dieses Jahr war aufreibend, das Ende absehbar, als Scholl klar machte, dass seine journalistische Karriere bei der ARD Vorfahrt haben sollte.
Die nächste Station beförderte den „Co“ zum Chef: Hannover 96 rief an, Sören Osterland übernahm für zwei Jahre die U23 des Bundesligavereins. Er ist ein kommunikativer Typ, weiß auch, wie wichtig die „Online-Schiene“ für die Vermarktung ist. Osterland avancierte zum Liebling der Fans in einer Zeit der Konflikte zwischen dem Bundesliga-Profiteam und einem Teil der Fans. Die Ultras sahen einige Zeit den Spielen „seiner“ U23 zu, machten dort in der Regionalliga ganz schön Alarm, sodass sportlich gute Leistungen auch noch mit toller Atmosphäre verbunden waren. „Manchmal fast wie beim FCM“, schmunzelt Osterland im Rückblick. Aber kurz vor Saisonschluss im 2. Jahr bei „96“ wurde deutlich, dass die Clubführung einen Schnitt machen würde. Sie ersetzte letztlich den „Jungspund“ durch einen Kollegen der Generation 60plus, ohne fachlich irgendetwas auzusetzen. Das nahmen die Fans nicht kommentarlos hin. Sie protestierten in den Online-Medien und am sichtbarsten – via Banner gegen den Geschäftsführer beim letzten Heimspiel – mit dem Slogan: „Dufner raus, Osterland rein!“
Rückblickend auf seine Zeit bei Hannover 96 sagt er: „Ich konnte vielfältige Erfahrungen sammeln – positiv wie negativ – die mich als Trainer und Mensch geformt und meine Gedanken bereichert haben. Was auch immer bleiben wird, sind die vielen geilen Momente mit den Jungs auf dem Platz und die Emotionen mit, für und dank der Fans.“ An Anfragen von anderen Vereinen mangelt es Sören Osterland nicht – er hat sich ein gutes Netzwerk aufgebaut, „das ist nicht nur für jeden wichtig, der im Profifußball tätig ist, das ist besonders auch für die Vereine wichtig, die sich höhere Ziele setzen und immer professioneller arbeiten wollen.“ Sein Lebensmotto kurzgefasst: „Durchschnitt ist für andere.“
Osterlands Arbeit fiel auch anderen Vereinen auf. „Die Angebote bisher reichten von Posten in Nachwuchsleistungszentren bis zum Profibereich. Das Finanzielle ist für mich dabei aber nicht primär ausschlaggebend. Die Arbeit am neuen Ort muss Spaß machen, es müssen professionelle Strukturen herrschen und zwischenmenschlich sollte es passen. Dann würde ich gern mithelfen langfristig etwas aufzubauen.“
Sein nächster Schritt ist nun kein Job in einem Profiverein der 1. oder 2. Bundesliga, die ihn durchaus reizen, sondern führt ihn auf das internationale Parkett: Er übernahm auf Vermittlung von Frank Wormuth die U19-Nationalmannschaft Ungarns – die Fußball-„Vermittlungssprache“ ist Englisch. In Ungarn steht zurzeit deutscher Fußballsachverstand besonders hoch im Kurs: Der Ex-Bundesligaspieler Bernd Storck ist dort seit März Sportdirektor des Fußballverbandes und daneben seit Juli 2015 auch Nationaltrainer. Unter Storck läuft es gut für Sören Osterland und er lächelt, als er vom Sieg seiner U19 gegen den älteren Jahrgang, die U20, und den Erfolgen in Freundschaftsspielen gegen starke osteuropäische Teams berichtet. Bohrt man ein bisschen nach, bekommt man auch mit, wie sehr er in Sachen Bundesliga offensichtlich alles aufsaugt, was wichtig ist – 3. Liga und FCM inklusive. Die Spiele „seines“ Vereins verfolgt er – wenn’s irgendwie geht – online. Viel schöner ist’s jedoch – wie am 27. September, – auf einer Tribüne, die keine ist: auf dem Dach des Nachwuchsleistungszentrums und später am Spielfeldrand mit Freunden und Fans aus der guten alten Zeit in Blau-Weiß. Die Zukunft ist offen: Vielleicht sieht man sich ja wieder – am 22. Dezember?
Heinz-Josef Sprengkamp