Von Fall zu Fall: Elvira hat Rücken

150413PG_Andreas_Dahm1Oktoberfestliche Ausreden mit Steitfallfolgen

Ein toller Abend sollte es werden für Willi Stahl, einem, wie er stets zu sagen pflegt, „jestandenen Inschenjör aus Machdeborch“. Schließlich hatte er seit der „Wende“ seinen Metallbau-Betrieb wie einen Ozeandampfer erfolgreich durch das tobende Wirtschaftsmeer mit seinem ständigen „Auf-und-Ab“ geschippert und wollte heute zum IHK-Empfang ins Festzelt der Mückenwirte, um das eine oder andere Pläuschchen mit dem einen oder anderen Funktionär abzuhalten, ein paar Bier-Maße zu genießen und das Tanzbein zu bayrischen Rhythmen der „Jodelhuder Dudelspatzen“ zu schwingen. Gesagt, getan – flugs noch in Lederhose und Haferln geschlüpft, ab ins Taxi und Richtung Stadtpark …


Dort ward er freundlich aufgenommen, begrüßte zunächst Bekannte und Kollegen, schüttelte Hände von schwarzen, roten, grünen und gelben Parteianhängern, sogar dem einen und anderen Ministerialregenten, und  winkte nach der Besetzung eines ergatterten Holzbankplatzes der nächst dahergelaufenen  Kellnerin zu … Doch was war das? Jene, die sich ihm nun im ausschnittbetonten Dirndl mit einem riesigen Tablett voller Maßkrüge und einem dicken Kellnerportemonnaie  annäherte, erkannte er als seine eigene Produktionskraft Elvira Kleverle, die seit fünf Wochen durch Abwesenheit am Arbeitsplatz glänzte, ständig Krankenscheine schickte und ihm gerade gestern noch am Telefon vorgejammert hatte, „immer noch janz schlimm Rücken“ zu haben.
„Na toll – ich zahle diesem Luder noch den Lohn weiter und die kellnert nebenbei“, dachte er bei sich und brachte in seiner aufsteigenden Wut gerade noch hervor „Das war´s mit uns!“. Sodann zückte Willi sein Handy,  schoss noch ein Foto von der ach so rückenleidenden Elvira und verließ wutschnaubend die oktöberliche Festivität, ohne auch nur an einem Maß Hopfenwasser genippt zu haben …
Schon am nächsten Tag war mit Anwalt Lieblings Hilfe die Kündigung aufgesetzt und in Elviras Briefkasten befördert worden – so als sofortigst und ohne Frist – schließlich war ja das Beweisfoto auch scharf gelungen… Doch von Elvira Kleverles Anwalt kam die Klage ins Haus geflattert, so nach dem Motto: „Alles Quark, das Foto verletzt Elvira arg in ihrer Persönlichkeit und darf gar nicht verwendet werden. Die Kündigung ist damit futsch. Elvira hätte das Tablett nur mal eben kurz für eine Bekannte gehalten, die dort gearbeitet hat und mal PiPi war…“ War Elvira Kleverles Anwalt wirklich so clever? Was meinen unsere Gerichte zu diesem „Quark“? Ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist durch das berechtigte Interesse des Arbeitgebers gedeckt (Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11.07.2013 – 10 SaGa 3/13). Also: Fotos vom Arbeitnehmer bei Zweifel an dessen Arbeitsunfähigkeit sind zulässig! Auch ein anderes Arbeitsgericht meint zu diesem Thema: Der Arbeitgeber hat den öffentlichen Vorgang zu Beweiszwecken im Bild festhalten dürfen, weil eine vorgetäuschte Erkrankung im Bereich des Möglichen lag. Gegen die Entscheidung war Berufung eingelegt worden. Was passierte dann?
Das Landesarbeitsgericht bestätigte das erste Urteil. Zwar habe hier ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG) vorgelegen. Aber der Eingriff in allgemeines Persönlichkeitsrecht war gerechtfertigt. Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht können durch die Wahrnehmung schutzwürdiger Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein. Dies sei angesichts des Verdachts, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit lediglich vorgetäuscht hat, der Fall gewesen. Zudem sei zu berücksichtigen gewesen, dass keine heimliche Fotografie vorgenommen wurde. Nun soll Elvira woanders einen „auf Rücken“ machen, denkt sich Willi, der nach den gewonnenen Gerichtsprozessen wieder seine Ruhe gefunden hat. Elvira hatte dann ein paar Wochen nicht mal Arbeitslosengeld und im Bierzelt will sie auch keiner mehr sehen. Da hat sie dann auch bitterlich bereut, dass sie Willi behumbst hatte …

Und die Moral von der Geschicht’?
Machst Du nur ein’ auf „Rücken“,
schaffst gar woanders für’n paar Mücken,
dann darf der Chef sein Handy zücken.
So wirst Du Deinen Job schnell los,
gewissermaßen arbeitslos
und bist ‘ne  Weile ohne Moos.
Und das, Elvira Klever, merke Dir – for ever!

Ihr Machdeborjer Rechtsanwalt Andreas Dahm