Neulich hatte ich einen Kunden im Geschäft, der mir beinahe schon leid tat. Das wirre Haar hing ihm strähnig in die Stirn, und er sah abgerissen aus, obwohl er eigentlich ziemlich wohlhabend ist und sogar eine eigene Villa im Herrenkrug hat. Als ich ihn fragte, was denn los sei, fing er an, bitterlich zu weinen und klagte mir sein Leid.
Angefangen hatte es damit, dass er sich über die Aufnahmestelle für Flüchtlinge in seiner Nachbarschaft beschweren wollte. Dazu musste er in die Innenstadt. Mit dem Diesel konnte er nicht fahren, weil die Umweltplakette ja nicht mehr gilt, denn er fährt einen VW. Die Straßenbahn fuhr, wie mittlerweile meistens, auch nicht. Es blieb ihm also nur das Fahrrad, und das haben sie ihm in der Hauptstadt der Fahraddiebe natürlich geklaut. Da war er so frustriert, dass er sich mit den Autoabgasen in der Garage selbst entleiben wollte. Der Diesel ist aber in Innenräumen so abgasarm, dass auch das scheiterte. Nun packt er das Nötigste zusammen und versuchte, sich nach Braunschweig durchzuschlagen. Kaum war er dort angekommen, fragten Polizisten, die ihn aufgegriffen hatten, weil er so heruntergekommen aussah, wo er denn herkomme. Als er Sachsen-Anhalt erwähnte, kam er umgehend in Abschiebehaft, denn da wir hier wirtschaftlich die rote Laterne haben, gelten die Magdeburger in Niedersachsen als Wirtschaftsflüchtlinge und werden umgehend abgeschoben. Zusammen mit ein paar anderen, gelang es ihm zu fliehen und über Umwege wieder in das Land einzureisen. Nun ist er zwar wieder hier, hat aber nur begrenztes Aufenthaltsrecht und kann jederzeit ausgewiesen werden. Jetzt hätte er sich an Trümper gewandt, weil er ihn doch früher beim Wahlkampf unterstützt habe. Der aber wolle ihn nicht mehr kennen und sofort abschieben lassen. Er sei erneut geflohen und jetzt hier. So habe ich ihm erst einmal die Haare geschnitten, und er sieht fast wieder wie ein Einheimischer aus. Vielleicht kriegt er so ja doch noch das Bleiberecht. In diesem Sinne: Der Nächste bitte.
Wort-Coiffeur Lars Johansen