Weiß ich, wer ich bin? Eine uralte Platte der Philosophie, immer wieder gern neu aufgelegt in zwiespältigen Fragen an sich selbst oder wer immer das sei.
Von Thomas Wischnewski
Ich: Es gibt da ein paar Fragen von mir an dich, also an mich, die lassen sich nicht so einfach beantworten. Vielleicht kannst du mir helfen, mich endlich richtig zu verstehen. Du, mein engster Vertrauter, mein Inniglichstes.
Hirn: Du glaubst, weil du dich selbst fragen kannst, dass dein Ich dadurch zum Du würde?
Ich: Immer musst du alles noch komplizierter machen, als es schon ist. Am besten, wir fangen ganz von vorne an. Mit dem Nichts, jawohl, wir denken zu Beginn mal einfach an nichts.
Hirn: Wenn du mir erklärst, was das Nichts ist, dann kann ich daran denken, an nichts. Außerdem, wieso denn du? Das verunsichert mich.
Ich: Genau das ist es, was ich nicht verstehe. Soll ich zu dir „ich“ sagen? Du bist doch nicht ich. Zwar erschaffst du mein Ich, aber du bist es doch, nicht ich bin es.
Hirn: Wer sonst ist denn dein Ich?
Ich: Na, da ist schon ein Unterschied, nur eben … Es ist zum Verrücktwerden.
Hirn: Du, also ich, ich meine wir, wir haben da tatsächlich ein Problem mit uns.
Ich: Wir? Jetzt sagst du’s auch noch selber! Es wird pathologisch. Ich hätte nicht gedacht, dass es so schwer sein kann, sich nach sich selbst zu fragen. Ja, noch nicht mal zu wissen, wie das mit dem Nichts ist. Sonst würde ich doch längst nichts denken, und es wäre dann einfach Schluss mit der ganzen Denkerei. Und mit dem Schluss endlich ein Anfang.
Hirn: Ganz ruhig! Ich mache mir, also dir, jetzt den Vorschlag, uns der Einfachheit halber doch besser in Ich und Du aufzuspalten. Wenn alles Ich ist, kommen wir durcheinander. Also du bist ich, und ich, klar, ich bin du.
Ich: Aber du, mein liebes Gehirn, du bist es doch, was mich zum Ich macht, du bist doch ich! Aber wie kann alles Ich sein?
Hirn: Du bist alles, allerdings nur in den Grenzen von allem, was du bist.
Ich: Du solltest mir doch helfen, stattdessen machst du alles noch viel schwerer!
Hirn: Möglicherweise kommen wir mit der Trennung in zwei Gesprächspartner doch nicht aus.
Ich: Ich weiß, das ist ja das Problem. Deshalb wollte ich doch ganz in Ruhe mit dir darüber reden.
Hirn: So ganz unter uns zwei? Die Leute werden dich für verrückt erklären, wenn du ihnen erzählst, was du dir für Fragen stellst.
Ich: Selbstgespräche führen doch alle.
Hirn: Sicher. Sie erzählen das aber niemandem, damit eben keiner denkt, sie seien irre.
Ich: Sind wir im Grunde nicht alle verrückt?
Hirn: Was ist verrückt und wer nicht? Du machst dir zu viele Gedanken.
Ich: Vielleicht weiß es ein Psychiater.
Hirn: Der hat auch Fragen an sich selbst.
Ich: Schluss jetzt mit dem Quatsch. Erklär mir lieber, warum du denkst und warum du denkst, was du denkst!
Hirn: Wenn ich das selbst wüsste, wäre ich Gott.
Ich: Wenigstens der muss es wissen.
Hirn: Das glaube ich nicht.
Ich: Du sollst nicht Gott lästern!
Hirn: Ach Gott. Mit dem ist es wie mit Einstein. Als der die Relativitätstheorie geschaffen hatte, hatte er sie noch lange nicht verstanden. Auch Gott kann nicht verstehen, was er da alles erschaffen hat.
Ich: Du spinnst.
Hirn: Was denn sonst? Dafür bin ich da.
Ich: Du sollst mir vernünftige Antworten geben, dafür bist du da!
Hirn: Entschuldige bitte, ich kann nur das sagen, was du in mich eingelassen hast.
Ich: Ich habe dich also zu wenig über mich selbst gelehrt, deshalb kannst du dich mir nicht erklären?
Hirn: Das könnte ein erster Ansatz sein.
Ich: Aber wenn ich noch nicht einmal mich selbst erklären kann, wie soll ich dann wissen, was alles um mich herum ist?
Hirn: Wenn alles in dir wäre, wäre draußen nichts mehr und du könntest das Nichts schon deshalb nicht verstehen.
Ich: Du treibst mich in den Wahnsinn!
Hirn: Eher ins Nichts.
Ich: Hunderttausend Hirnforscher weltweit werden dir schon noch auf die Schliche kommen, und dann, dann weiß ich ganz genau, wer ich bin.
Hirn: Klar, indem du dann weißt, wie die anderen sind. Und wenn man das weiß, weiß man auch, wer man selbst ist.
Ich: Du kannst mich doch nicht aus der Verallgemeinerung ableiten.
Hirn: Ich kann alles ableiten und zugleich ins Nichts führen, von dem ich nicht weiß, wie es ist.
Ich: Schluss mit der Diskussion. Ich dachte, ich käme mal zur Ruhe. Mir ist das alles viel zu blöd.
Hirn: Du solltest dich nicht so ernst nehmen. Dein Blödsinn ist doch ganz hübsch.
Ich: Schluss jetzt! Schluss!