Selbst die Wurst. Nein, die nicht, denn da läuten jetzt die Alarmglocken. Nicht nur wegen der Wurst, sondern überhaupt wegen des Fleischgenusses. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat dieser Tage darauf hingewiesen, dass das, was die Menschen und ihre Vorfahren seit mindestens 2 Millionen Jahren am liebsten essen, krebsauslösend sei. Vor allem das Darmkrebsrisiko steige, und zwar bei täglich 50 g Wurst um 18 Prozent! Bei Versuchstieren.
Die allerdings sind bekanntlich keine Menschen, haben ganz andere Ernährungsgewohnheiten und tragen mithin bei solcherart Versuchen andere Risiken. Wir sind an vieles gewöhnt, nicht nur an die fragwürdige Politik unserer fragwürdigen Politiker, auch an den Alarmismus, wie er regelmäßig von WHO-Studien ausgelöst wird. Alles Mögliche war schon dran, mal negativ, mal positiv, dann wieder negativ oder eben nicht ganz klar: Butter, Margarine, Ei, Gen-Mais, Milch, Glyphosat, Kaffee. Risiken bei zu wenig Wasser, bei zu viel, bei zu wenig Gemüse und zu viel; bei zu wenig Vitaminen und zu viel; Sonne ist schlecht, Sonne ist gut; Prostata-Vorsorgeuntersuchungen ja und nein; mangelnde Hygiene als Gesundheitsrisiko, aber auch als Gesundheitsvorsorge. Oder denken wir an Joghurt: Es verdoppele das Risiko für Eierstockkrebs bei Frauen, wöchentliche Spülungen der Geschlechtsorgane vervierfache es sogar, und die regelmäßige Anwendung von alkoholhaltiger Mundspülung erhöhe das Mundkrebsrisiko um 50 Prozent.
50 Gramm Wurst pro Tag machen also laut WHO 18 Prozent mehr Darmkrebs, 100 Gramm folglich 36 Prozent? Mitnichten. Die Wahrscheinlichkeit, Darmkrebs zu bekommen, liegt bei 5 Prozent, daran zu sterben bei 2,5 bis 3 Prozent. Ein zusätzliches Wurst-Risiko um 18 Prozent bedeutet demnach eine Erhöhung um einen Prozentpunkt (von 5 auf 6 Prozent), und daran zu sterben eine Steigerung um gerade mal 0,5 Prozent! Sofern die Ergebnisse überhaupt auf den Menschen übertragen werden können. Viel gefährlicher ist das Leben selbst, besonders dann, wenn es schon lange währt. Von 1.000 Frauen im Alter zwischen 65 und 70 Jahren sterben rund 47 an Krebs, im Alter zwischen 70 und 75 Jahren sind es bereits 65. Und ähnlich nimmt die Krebsgefahr mit jedem weiteren Lebensjahr auch bei Männern zu. Nur eben, dass diese im Schnitt sowieso fünf Jahre früher sterben. Das Gute daran: Sie sorgen dadurch für erträgliche Kosten bei der Altersversorgung, vor allem eben der von Frauen. Ein Bockwürstchen in Ehren (oder auch zwei) sollte keiner verwehren!
Prof. Dr. Gerald Wolf
Mitglied im Professorenkollegium emeritio; Studium der Biologie und Medizin, Universitätsprofessor. Vor seiner Emeritierung (2008) war er Direktor des Instituts für Medizinische Neurobiologie an der hiesigen Universität.