Im Advent und zu Weihnachten rücken handwerkliche Arbeiten stärker in den Fokus der Aufmerksamkeit. Doch scheinbar vergisst die moderne Gesellschaft die Bedeutung der geschickten Hände.
Im Advent sind Basteln und Handarbeiten beliebte Betätigungen. Überhaupt rücken die kleinen Kunstwerke, die aus der Hände Geschick entstehen, in den Mittelpunkt. Kleine Kunsthandwerke, liebevoll erstellte Naturprodukte, verzierte Handarbeiten und vieles mehr wird zur Weihnachtszeit begehrt. Doch die Dinge aus Werkstätten von Handwerkern und Tüftlerinnen haben längst an Stellenwert eingebüßt. Die neuesten technischen Geräte faszinieren mehr als geschnitzte Holfiguren, handbemalter Schmuck, natürlich produzierte Seifendüfte oder vielerlei andere Utensilien, die aus dem Wirken geschickter Hände kommen.
Es ist, als würde im Geist das Bewusstsein dafür verloren gehen, wo Sinnlichkeit und Leben real sind. Über Bildschirme flimmern Illusionen, Märchen und Fantasiefiguren. Nachrichten und Berichte sind entfernte und oft in Szene gesetzte Wirklichkeit, aber niemals ein Erleben mit allen Sinnen. Vergessen wir etwa mehr und mehr unsere Wurzeln und unsere eigentlichen menschlichen Wesenszüge?
Immer weniger Menschen machen alte, handwerkliche Fähigkeiten zu ihrem Beruf und natürlich liegt das auch daran, dass sich eine Mehrheit anscheinend weniger für solche Produkte interessiert. Warum gerät das Schöpfergeschick unserer Hände Arbeit ins Hintertreffen? Dabei haben doch genau diese Fertigkeiten maßgeblich zur Menschwerdung und letztlich zur Entwicklung unserer Kultur beigetragen. Vielleicht rücken wir uns die Bedeutung, die unsere Hände für das Leben und dessen vielseitigen Umsetzungen und Möglichkeiten haben, nicht deutlich genug ins Denken.
Ohne die geschickten Handarbeiten von Bäckern, Konditoren, Fleischern und Köchen wären die Tage wohl ziemlich eintönig. Nicht nur die Dekoration, auch der beste Geschmack braucht meistens hohe Fingerfertigkeiten. An die Künste sollte man sich erinnern. Erst die Meisterschaft eines Künstlers, vor allem dessen wundersames Können, die Hände einzusetzen, schafft außergewöhnliche Werke. Egal, ob sich die besondere Gewandtheit auf einem Musikinstrument ausdrückt oder in einem Bild – ohne die Mühe jahrelangen Übens werden Hände nicht zu filigranen Werkzeugen einer künstlerischen Produktion.
Die Gesellschaft entfernt sich von handwerklichen Meisterschaften. Vielleicht muss eines Tages noch nicht einmal eine Tastatur bedient werden, um Eingaben an Computern und deren weiterentwickelten Maschinen vorzunehmen. Schon jetzt sind die vorrangigen Bewegungen solche, die mit einem Mausklick erledigt werden können. Die jungen Generationen wachsen heute mit Smartphones auf, müssen maximal noch eine gewisse Schnelligkeit der Daumen zum Tippen von Buchstaben entwickeln. Musik entsteht häufiger aus fertigen Sounds am PC als auf einem Instrument. Die Welt ist von Bildern geflutet, die per Auslöser an der Digitalkamera erzeugt wurden. Und die meisten Handarbeiten auf dieser Erde werden auf anderen Kontinenten erledigt, nur nicht in Europa.
Wir schimpfen gern darüber, dass Weihnachtsmärkte und Adventsauslagen der Geschäfte immer seltener anheimelnde, kleine Handwerksstücke zeigen, sind aber selten bereit, einen angemessenen Preis für die aufwendige Herstellung zu bezahlen. Generationen, die jetzt aufwachsen, werden in der Selbstverständlichkeit ihres Lebens die Wertigkeiten, die frühere Generationen handwerklichem Geschick beigemessen hatten, nicht mehr hervorbringen. Aber ohne der Hände Arbeit ist alles nichts. Deshalb dürfen Fähigkeiten und Fertigkeiten, die unter Einsatz der zehn Finger entstehen, keinesfalls vergessen werden.
Thomas Wischnewski