Liebe auf den ersten Klick?

romantik_klickEine Begegnung, ein kurzer Moment und die Knie werden weich, im Bauch kribbelt es, das Herz schlägt schneller, die Haut beginnt zu schwitzen – Liebe auf den ersten Blick. Laut Erkenntnissen der Wissenschaft braucht es nur wenige Sekunden, um sich zu verlieben. Auf die äußere Attraktivität kommt es dabei angeblich an. Ausbildung? Einkommen? Politische Orientierung? Religionszugehörigkeit? Gemeinsame Interessen? Vorerst alles egal.

Eine Studie von Prof. Jens Asendorpf (Humboldt-Universität zu Berlin), an der im Jahr 2009 fast 400 Personen an einer Art Speed-Dating teilnahmen, belegt, dass ein attraktives Gesicht und die Sympathie der Stimme die wichtigsten Auswahlkriterien sind.
Etwas oberflächlich, oder? Schließlich wäre es gewagt, eine Beziehung nur darauf aufzubauen. Das zeigte auch die Studie. Immerhin tauschten nach dem kurzen Kontakt beim Speed-Dating 68 Prozent der Teilnehmer ihre E-Mail-Adressen aus. 39 Prozent der Kandidaten trafen sich danach noch mindestens einmal. Aber ein Jahr später waren nur 5 Prozent der Personen in einer Liebesbeziehung. Dass Liebe auf den ersten Blick nur selten funktioniert, das wusste der irische Dramatiker George Bernard Shaw bereits zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts: „Die Liebe auf den ersten Blick ist ungefähr so zuverlässig wie die Diagnose auf den ersten Händedruck.“
Bei Soirees oder im Pub gab es im damaligen Irland (und sicher auch auf deutschem Boden) andere Voraussetzungen, jemanden kennenzulernen. Man musste dafür schon vor die Tür gehen. Und heute? Heute versprechen diverse Singlebörsen und Datingportale im Internet die wahre Liebe zu finden. Liebe auf den ersten Klick also. Und das kann durchaus Vorteile haben. Beispielsweise ist die Auswahl online auffallend größer als bei einer Party im Club oder in der Kneipe. Doch diesen Vorteil könnte man sogleich mit der Frage entkräften: Wie viele der Singles, die sich bei einem dieser Portale angemeldet haben, stammen aus der Region? Plötzlich ist die Auswahl wieder deutlich geringer – obwohl dies für Menschen, die eine Fernbeziehung nicht scheuen, wohl kein überzeugendes Argument ist.
Auch für Menschen, die sich damit schwer tun, in der Öffentlichkeit auf andere zuzugehen, scheint das Online-Dating Vorteile mit sich zu bringen. In aller Ruhe – ohne sich mit den ersten Worten lächerlich zu machen oder ohne nervös zu stammeln – können Profile durchforstet und potenzielle Kandidaten oder Kandidatinnen ausgeschlossen werden, wenn das Foto auf den zweiten Blick doch nicht so sympathisch erscheint, der Beruf abschreckt oder die Freizeitinteressen nicht interessant genug erscheinen. Und das alles, ohne ein einziges Wort mit der jeweiligen Person wechseln zu müssen. Faszinierend und traurig zugleich.
Wortlos kann die Annäherung natürlich auch im Internet nicht ablaufen. Die ersten Sätze, möglicherweise schön, aber nicht zu übertrieben formulierte Komplimente. Fragen, um noch mehr über die Auserwählte oder den Auserwählten herauszufinden. Was bei einem ersten Date in der realen Welt als Frage-Antwort-Spiel abläuft, kann sich in der virtuellen Welt über einen längeren Zeitraum hinziehen. Das beflügelt womöglich die Fantasie, erhöht den Reiz. Und es hat den Vorteil, sich alle Aussagen und Fragen gut überlegen zu können.
Doch wo bleibt dabei die Spontanität, die beim persönlichen Gespräch in einem netten Café entstehen und auch viel über den Menschen verraten kann? Und nimmt man die Person, die im Internet eine niedergeschriebene Selbstdarstellung abliefert, so wahr, wie sie tatsächlich ist? Oder neigt man dazu, die Online-Version der jeweiligen Person zu idealisieren? Wie sieht die Realität aus? Vielleicht kommt es zum sogenannten Foto-Schock – wenn man beim ersten Treffen in der realen Welt feststellt, dass das Gegenüber ganz anders aussieht als auf dem Profilbild. Auch kann das auf den Charakter zutreffen, denn auf dem Profil der Online-Plattform geben die Eigenschaften eines Menschen losgelöst voneinander aufgereiht ein anderes Bild ab als in der Realität.
Das alles klingt recht wenig romantisch. Doch wie so oft im realen Leben gibt es hier auch kein richtig oder falsch, kein schwarz oder weiß. Jeder kann und soll für sich selbst entscheiden, welche Form der Annäherung sie oder er bevorzugt. Vielleicht klappt es ja mit der Liebe auf den ersten Klick.

Tina Heinz