„… ich möchte nicht verbittert werden!“

UteBachmaier Mit einem Rollendebüt beendet Kammersängerin Ute Bachmaier nach 34 Jahren ihre Karriere als Sängerin am Opernhaus.

Von Gisela Begrich

Premiere der Rossini-Oper „Der Barbier von Sevilla“ – Schlussapplaus: Jedes Mal, wenn ein Darsteller erscheint, schwillt der Beifall an, wenn er abtritt, flaut der Jubel ab. Jetzt nimmt er zu, Rosina, die Protagonistin der Oper? Nein, es ist Ute Bachmaier, die lediglich eine kleine Partie bestreitet. Das Publikum liebt sie, ihre Stimme, ihre Natürlichkeit, ihren Charme, auch noch nach 34 Jahren. Denn so lange steht Ute Bachmaier schon auf der Bühne der Landeshauptstadt, die damals 1982 noch eine Bezirkshauptstadt war.

Hauptsache singen
An der Wiege gesungen war Ute Bachmaier übrigens eine Karriere als Sängerin keinesfalls. Ihr Vater war Arbeiter, ihre Mutter technische Zeichnerin. Gesungen wurde im Hause Bachmaier kaum, nur selten Radio gehört. Das Schicksal führte die Siebenjährige in den Kinderchor der Oper Karl-Marx-Stadt, und von nun an träumte das Kind davon, Sängerin zu werden, ob im Chor oder Solistin, egal, Hauptsache singen. Aber die kleine Ute träumte nicht nur: Sie lernte Klavierspielen und nahm ab dem 14. Lebensjahr Gesanguntericht. Schmunzelnd erzählt sie: „Ich habe über meine Gesanglehrein gelächelt.  Ihre Anweisungen  kamen mir albern vor.“ Heute sieht die Sängerin das etwas anders und meint, dass sie doch schon Grundlegendes gelernt habe.
Die Bewerbung an der Musikhochschule Dresden klappte auf Anhieb, zum Glück, denn es gab keinen Plan B.
Als blutjunge Debütantin kam die Sägerin ans Magdeburger Theater. Dessen musikalische Geschicke  bestimmte damals Generalmusikdirektor Roland Wambeck. Er prägte Ute Bachmaier über Jahre hinweg. Mit Hochachtung spricht sie über ihn. Seine Strenge in den Proben ist ihr noch heute gegenwärtig, aber auch seiner Flexibilität in den Vorstellungen.
Oberster Dienstherr war damals Generalintendant Karl Schneider. Unter dessen Ägide feierte die Koloratursopranistin Erfolg über Erfolg, wurde vom Publikum bejubelt, von der Kritik hoch gelobt.  Dennoch blieb sie der Stadt treu. Das erstaunt. Ihre Erklärung:
„Ich konnte mich in Ruhe entwickeln und durfte alle wichtigen Rollen singen, die es für meine Stimme gibt.“ Aus der Anfängerin wurde mit den Jahren eine der wichtigsten Sängerinnen des Ensembles. Ute Bachmaier war z. B. Gilda, Konstanze, Zerbinetta, Blondchen, Sophie, Rosina und, nicht zu vergessen, mehrfach die Königin der Nacht.

Die Königin der Nacht
Diese Partie begleitet die Sängerin seit ihren Anfängerjahren.  Das erste Mal setzte sie sich mit ihr für ein Gastengagement an der Staatsoper Berlin auseinander. Damals meinte sie, das sei eigentlich nicht ihre Rolle. Im Laufe ihrer Karriere jedoch hat sie die sternflammende Königin allein in Magdeburg in drei verschiedenen Inszenierungen gesungen. Das ist ungewöhnlich. „Es gibt kaum eine Sängerin, die 20 Jahre die Königin der Nacht singt. Diese Partie ist wie Hochleistungssport“, erklärt die Künstlerin. Deshalb stellte sie sich 2008, als sie noch einmal diese berühmteste Mozartfigur verkörpern soll, vor Probenbeginn einem Belastungstest, überprüfte, ob Höhe und Schnelligkeit  noch stimmen. Alles ok.
Musikalisch änderte sich für sie nur wenig. „Die Stimme reift mit den Jahren. Man gewinnt mehr Sicherheit. Selbst wenn ich sehr nervös war, die Königin funktionierte. Und bei der Probenarbeit konnte ich mehr auf den Regisseur eingehen“, verrät die Künstlerin.

Regisseure
Sehr unterschiedliche Regisseure erlebte Ute Bachmaier in den langen Jahren ihrer Laufbahn, zwei von ihnen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, benennt sie: Dieter Reuscher und Andreas Kriegenburg. Reuscher prägte über mehrere Spielzeiten die Geschicke der Magdeburger Oper, Kriegenburg, der berühmte Schauspielregisseur, wagte in Magdeburg 2006 mit „Orpheus und Eurydike“ von Gluck seine ersten Schritte auf die Opernbühne.
„Reuscher wusste genau, was er wollte und war den Sängern immer ein verlässlicher Partner. Er achtete auch auf deren Persönlichkeit. Er entwickelte die Figur mit ihnen zusammen. Nie ist er in Äußerlichkeiten abgeglitten. Die Arbeit mit Kriegenburg irritierte uns zunächst. Die Proben schienen gar nicht richtig loszugehen. Da musste z. B. erst das Licht stimmen. Aber das Ergebnis überzeugte. Kriegenburg inszeniert ja bis heute auch immer wieder Oper, auch an großen Häusern“, entsinnt sich die Bachmaier. Modernem Regietheater steht sie nicht ablehnend, aber skeptisch gegenüber. „Es kann interessant sein, aber oft werden von den Sängern Dinge verlangt, die nicht mit dem Metier zusammengehen, ja unverschämt sind“, positioniert sie sich.

Privatleben
Auch eine viel beschäftigte Sängerin hat ein Privatleben. Ute Bachmaier ist seit vielen Jahren mit dem Sänger Roland Fenes verheiratet. Häufig traten die beiden in der gleichen Vorstellung auf. Da stellte sich für das Ehepaar beinahe Abend für Abend die Frage, wie regeln wir das mit den Kindern. Mal sprangen Nachbarn als rettende Engel ein, mal Kollegen, die frei hatten. Man half sich gegenseitig so gut es ging. Inzwischen sind die beiden Töchter erwachsen. „Aber es war auch für die Kinder nicht immer leicht“, erinnert sich die Mutter heute.

Abschied
In den letzten Jahren ist es oft geschehen, dass Ute Bachmaier auf der Bühne stand und jede Note der Hauptheldin hätte mitsingen können, aber nun in einer kleineren Partie in der Szene agierte. Es mache ihr nichts aus, sagt sie: „Man kann nicht ewig die Sophie im Rosenkavalier singen. Das gibt die Stimme einfach nicht mehr her, auch wenn man noch jung aussieht. Da muss man sich mit der Leitmetzerin bescheiden. Da ist kein Neid und auch keine Trauer.“
Dennoch können die Magdeburger Opernfreunde Ute Bachmaier auch noch einmal in einer großen Partie erleben. Sie singt die Frau Fluth in Otto Nicolais „Die lustigen Weiber von Windsor“. Diese Rolle hat sie sich gewünscht. Sie ist, wie sie sagt, das Tüpfelchen auf dem „I“.  Am 12. Juni fällt der letzte Vorhang für die „lustigen Weiber“ und zugleich für die künstlerische Laufbahn von Ute Bachmaier, die aus eigener Entscheidung einen Schlussstrich unter ihr aktives Theaterleben zieht.
Sicher wird es tosenden, nicht enden wollenden  Applaus und stehende Ovationen geben – Dank der Zuschauer an eine Künstlerin, die sie in vielen wunderbaren Rollen erleben durften.
„Es ist nicht leicht, sich von der Bühne zu verabschieden, aber es ist Zeit zu gehen. Ich will nicht, dass andere sagen, dass es nicht mehr klingt, und  ich möchte nicht so verbittert werden, wie ich das bei einigen alten Kollegen erlebt habe.“
Und was stattdessen? Die Sängerin will ihr bisheriges Hobby, das Schneidern, zum Beruf machen. Sie wird Stoffe verkaufen, Kundinnen beraten und nähen.
Natürlich wird die Musik in ihrem Leben weiter eine Rolle spielen. Sie wird weiter ins Theater gehen, aber sie wird nicht mehr singen, es sei denn beim Kartoffelschälen, versichert sie, und wer ihr zuhört, begreift, wie ernst sie das meint.
Das Leben der Kammersängerin (Ein Titel, über dessen Verleihung sie sich übrigens sehr gefreut hat.) Ute Bachmaier auf der Bühne ist zu Ende. Es beginnt das als Nähmamsell.