Es herrscht Ruhe im Klassenraum – konzentriertes Arbeiten. Hin und wieder ist das Rascheln von Heftseiten zu vernehmen oder das leise Kratzen eines Füllfederhalters über Papier. So klingt das Arbeiten in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen. Oder muss man bald sagen: klang? Denn zum Rascheln von Papier und Kratzen von Stiften in Klassen- und Seminarräumen gesellt sich vermehrt das Klappern der Tastatur hinzu.
Das Lernen mit digitalen Medien gehört mittlerweile zum Alltag: die Recherche von Informationen im Internet, Einsatz von Multimedia-Programmen, Erstellung interaktiver Übungsaufgaben oder die Nutzung von Textverarbeitungs- und Präsentationsprogrammen. Doch manch einem zukunftsorientierten Bildungswissenschaftler geht die Digitalisierung nicht weit genug. Schließlich ist man in der heutigen Welt ohne das entsprechende Know-how verloren, denn aus unserer Kultur und aus der Kommunikation sind die „neuen Medien“ nicht mehr wegzudenken. Doch in welchem Alter sollte die digitale Erziehung und Bildung beginnen? Und wie intensiv sollte diese sein? Eine einfache Antwort gibt es auf diese Fragen sicher nicht, sonst wäre das Thema nicht so umstritten.
Ein Aspekt, der die digitalen Lernmöglichkeiten derzeit per se noch stark einschränkt, ist der finanzielle. Weder kann man von Eltern erwarten, dass sie ihre Kinder mit sämtlichen Geräten ausstatten, noch hat die Großzahl der Schulen das Potential, eine Komplettversorgung zu gewährleisten. Doch selbst, wenn die Möglichkeiten gegeben wären, kann nicht auf analoges Lernen verzichtet werden.
Einen Grund nennt eine US-Studie, die bereits 2014 von Forschern an der Princeton University durchgeführt und im Fachblatt „Psychological Science“ veröffentlicht wurde – unter dem Titel: „The Pen Is Mightier Than the Keyboard“. Der Stift ist also mächtiger als die Tastatur. Denn wer Texte handschriftlich notiert, versteht und merkt sich den Inhalt deutlich besser, wollen die Forscher herausgefunden haben. Zudem verbleibt das Verstandene länger im Gedächtnis. Auf Sachwissen soll dies allerdings nicht in erster Linie zutreffen, sondern vielmehr auf komplexe Zusammenhänge sowie gedankliche Transferleistungen.
Zu diesen Ergebnissen kamen die Forscher durch Experimente mit 65 Collegestudenten, die in kleinen Gruppen Videovorträge anschauen und entweder per Laptop oder per Stift und Papier mitschreiben sollten. Es folgten mehrere Ablenkungsaufgaben und erst 30 Minuten später sollten sie Fragen zum Inhalt der Vorträge beantworten. Sowohl Faktenwissen als auch konzeptionelles Wissen wurde geprüft. Anschließend verglichen die Forscher den Lerneffekt der Studenten. Im Bereich Faktenwissen schnitten die beiden Gruppen ähnlich gut ab. Ging es um das inhaltliche Verstehen, lagen die Teilnehmer mit Stift und Papier deutlich vor den Laptop-Nutzern. Fazit der Studie in „Psychological Science“: Das Notieren per Handschrift fördert einen bewussten Umgang mit dem Inhalt und somit das kognitive Verarbeiten im Hirn.
Könnte eine ähnliche These ebenfalls für das Aufnehmen und Verarbeiten von Informationen beim Lesen gelten? Schließlich wirkt die digitale Welt auch in dieser Beziehung viel oberflächlicher und schnelllebiger. Zudem bietet die Nutzung des Internets zahlreiche Möglichkeiten, sich ablenken zu lassen. In Windeseile ist der eigentliche Beitrag überflogen. Zum Ende der Seite gescrollt, werden dort andere Beiträge zum Lesen angepriesen. Angeklickt, schnell durchgelesen, Fotos, weitere Links – schon hat man das eigentliche Ziel aus den Augen verloren und das, was man sich wenige Minuten vorher zügig durchgelesen hatte, wieder vergessen. Auch hierfür gibt es diverse Studien, die belegen: viele der täglichen Aktionen im Netz führen zu schlechterer Gedächtnisleistung. Chinesische Forscher der Cornell University (USA) und an der Bejing University (China) bescheinigen beispielsweise in ihrer Analyse „Macht uns micro-blogging oberflächlich?“, Nutzern von sozialen Netzwerken, die viele Inhalte teilen, eine kognitive Überlastung. Die diversen Funktionen dieser Plattformen würden den Nutzern die Zeit stehlen, die sie sonst darauf verwenden, den Inhalt zu verstehen und die Information nachhaltig im Gedächtnis abzuspeichern.
Selbst wenn die digitale Welt zahlreiche Möglichkeiten schafft und Vorteile in Sachen Bildung bietet, so läuft ihr die analoge Welt – zumindest in einem Punkt ganz sicher – den Rang ab: Denn eines der wichtigsten Instrumente beim Lernen sind nach wie vor die Sinnesorgane. Und die funktionieren im Normalfall analog. Die auditive und die visuelle Wahrnehmung kommt zwar auch bspw. bei der Arbeit am Computer zum Einsatz. Geht es jedoch um die olfaktorische, die gustatorische oder die taktile Wahrnehmung, stößt die digitale Welt (noch) sehr schnell an ihre Grenzen. Lernen ist eben nach wie vor ein sinnlicher Prozess.
Tina Heinz