Gegen die Wirklichkeit ist kein satirisches Kraut gewachsen. Manch reales Ereignis hätte sich kein Kabarettist ausrechnen können. Das Jubiläumsprogramm der Zwickmühle geht in die Schlussrunde und zeigt turbulente Akzente aus 20 Jahren.
Das Kabarett-Ensemble „Magdeburger Zwickmühle“ beging in diesem Jahr seinen 20 Geburtstag. Bekanntlich beginnt das offizielle Zählen von Jubiläen erst mit 25 Jahren. Schon deshalb muss der Hinweis auf das Zwickmühle-Jubiläumsprogramm als satirische Anspielung betrachtet werden. Mit „Jubel, Trubel, Wirklichkeit“ hat Hans-Günther Pölitz das Programm zum 20-jährigen Bestehen überschrieben. Zum Geburtstag am 29. Februar hatte es Premiere. Jetzt nehmen die Zwickmüller Abschied vom Jubel-Jahr. Am 3. Juli, vor der Sommerpause des politisch-satirischen Kabaretts läuft es letztmalig im Stammhaus an der Leiterstraße.
Der Zuschauer erlebt im Jubel-Trubel eine Rückschau, bei der sich das dreiköpfige Ensemble mit Marion Bach, Heike Ronniger und Hans-Günther Pölitz selbst mit lustigen Klischees zwischen Texter und Akteurinnen bestens auf die Schippe nimmt. Dass die farblose Ziehtochter von Helmut Kohl, Angela Merkel, einst Kanzlerin im deutschen Staate werden würde, hätte jemand wie Pölitz vor zwei Jahrzehnten sicher als eine große Satire gehalten. Aber gegen die Wirklichkeit ist eben kein satirisches Kraut gewachsen.
Das nun auslaufende Jubel-Stück ist aber nicht nur eine Reflexion aufs eigene Schaffen, sondern gespickt mit hochaktuellen Einwürfen politisch-gesellschaftlicher Entwicklungen. Wenn man bedenkt, dass die Fassung des Urtextes bereits Mitte Februar fertig gewesen sein musste, hat Zwickmühlen-Oberhaupt Pölitz inzwischen die eine oder andere aktuelle Entwicklung ins Bühnengeschehen integriert. Der Betrachtungsbogen reicht nicht nur über 20 Jahre, sondern ebenso von lokalen bis zu Geschehnissen in der Welt.
Zwischen den Soli, Duetten und Trio-Passagen streuen die drei Protagonisten immer wieder Lieder ein, oft im Stile eines Couplets der 20er Jahre. Was wiederum als Anspielung auf die Bestehenszeit gewertet werden kann.
An einigen Stellen ist manch satirischer Wortausdruck derart scharf auf die Spitze getrieben, dass man zunächst nicht weiß, ob man darüber lachen darf oder eher wütend über die Wirklichkeit sein sollte. Auch wenn Kabarett im Grundanliegen Unterhaltung sein will, kann Hans-Günther Pölitz nicht leugnen, dass ihm die Schärfe mancher Aussage nicht bewusst gewesen wäre. So wird die Aufführung zu einem Wechselbad zwischen intelligentem und zuweilen herzhaften Witz bis hin zu tiefsinnigen Denkimpulsen. Marion Bach und Heike Ronniger bilden mit Pölitz eine fabelhafte Einheit, die sich reihum einen ironisch-zynischen Schlagabtausch liefern können, wobei man vorher nie genau weiß, aus welcher Richtung die Schluss-pointe kommt.
Mit dem 16. Juni kommt das Jubeliläumsprogramm noch neun Mal auf die Bühne. Wer’s noch nicht gesehen hat, sollte sich die Aufführung gönnen, bevor die Jubelzeit vorbei ist. (tw)