Magdeburgs Baustellen nerven jeden, der sich von A nach B bewegen will. Die Sperrungen bergen ein hohes Fluchtpotenzial und
die Ferienzeit lässt fliehen.
Magdeburg ächzt und stöhnt unter den Wunden, die in die Stadt geschlagen sind. Vieles soll neu geformt und modelliert werden.
Es sind die zahlreichen Baustellen samt Sperrungen, die Lebensadern abschneiden und Wege verstellen. Sie lähmen, begrenzen und schrecken ab. Vielleicht schwebt über allem die Hoffnung, dass daraus neue Impulse werden, dass der Absperrungsspuk bald ein Ende hat. Doch derzeit möchte man lieber fliehen, im Glücksklee sitzen, von Bienen umsummt sein, gekrönt von Sonnenstrahlen und gestreichelt vom kühlen Blätterwind, der aus den Bäumen herüberweht.
Mancher schätzt sich glücklich, genau solche Zustände in Ferien- und Urlaubszeit erzeugen zu können. Wer jetzt nicht fortkommt, muss ertragen, was nicht änderbar ist. 20 Voll- und Teilsperrungen schränken gewohnte Pfade ein oder verhindern gar, dass man sich auf den Weg macht. Viele Innenstadthändler singen bereits ein vielstimmiges Klagelied über ausbleibende Kundschaft. Vor Einrichtung der Tunnelbaustelle waren die Folgen absehbar und aufgezeigt. Es ist jedoch nicht nur der Einschnitt am Bahnhof, der für Verstopfungen im Autoverkehr und für Umwege des Öffentlichen Nahverkehrs sorgt. Es ist die Summe der Bauarbeiten am Magdeburger Straßennetz. Und ab einer gewissen Schwungmasse sinkt eben die Toleranzgrenze für Verständnis unter einen messbaren Grenzwert.
Jede Woche verkündet die Pressestelle im Rathaus neue Baustelleneinrichtungen. Am Südring wird das letzte Nadelöhr für Fahrzeuge gekappt. Der Magdeburger Ring ist stellenweise nur einspurig nutzbar. Am 29. Juni begannen auf der Bundesstraße 1 umfangreiche Tiefbauarbeiten der SWM für eine neue Fernwärmetrasse. Die Rothenseer Straße ist vom 4. bis voraussichtlich 9. Juli in Höhe des Tierheims für den Kfz-Verkehr voll gesperrt. Werden an einer Stelle die Sperren weggeräumt, stehen an anderer längst neue usw. usw.
Man hört aus empörten Mündern die bekannten Unkenrufe über bauverwaltungstechnischen Irrsinn und gedankenloses Organisationschaos. In den Chor der Empörung einzustimmen fällt nicht schwer. Jede Erklärung über die Kulmination der Bauarbeiten klingt hilflos. Ja, man weiß, dass Ausschreibungsverfahren nach Mittelfreigabe im Haushalt erst am Jahresanfang anlaufen und Zeit brauchen. Ja, man weiß, dass Großbaustellen wie der Citytunnel mit Rechtsstreitigkeiten in teils unkalkulierbare Verzögerung geraten. Man weiß auch, dass Baustellen-Überschneidungen weitere Schwierigkeiten erzeugen können.
Tiefbauunternehmen müssen sich entlang der Magdeburger Elbe aufgrund der Auftragslage geradezu in Goldgräberstimmung befinden. Es wird ja auch gegraben, als könne man im Stadtuntergrund Gold oder Öl finden. Das Kabarett Hengstmanns hatte das Rohstoff-Orakel zum Thema des diesjährigen Sommertheaters im Technikmuseum gemacht. Man darf und soll eben auch über alles lachen. Manchem Gemüt ist aber nicht mehr zum Lachen zumute, weil kein Tag vergeht, an dem jedes Vertrauen, auf bekannten Wegen zum Ziel zu kommen, zerstört wird.
Glücklich seien eben nur jene, die der Stadt durchs Verreisen den Rücken kehren. Tröstlich mag man den hier Verbliebenen zurufen: Auch die Wegfahrer kehren ins Baustellen-Chaos zurück. Sicher werden es dann ein paar weniger, doch die freie Fahrt durch die Stadt bleibt eingeschränkt. Wer sich noch an die 90er Jahre erinnern kann, wird noch die Tunnelbaustelle am Universitätsplatz vor Augen haben, den Ausbau der A2 und der vielfache Stauverkehr, der sich häufig durch Magdeburg wälzte. Auch diese Zeit ging vorüber. Wenn gebaut wird, mögen die Beeinträchtigungen nerven, es entsteht jedoch etwas Neues und daraus kann man Hoffnung schöpfen. Nur die Sorgen und Nöte des Einzelhandels in der Innenstadt, die sollte niemand auf die leichte Schulter nehmen. (tw)