Deutschlands Ansehen in der Welt

Sagen wir es doch ruhig: Das ist uns scheiß egal, was die Welt von uns denkt. Wir sind deutsch und damit gut. Sollen wir etwa den Schweden noch eine Rechnung für die Schäden im Dreißigjährigen Krieg stellen? So höhnt einer, der es nicht besser weiß, in der hiesigen Tageszeitung. Ich würde ihn gern einmal fragen, ob er schon mal etwas von Kommeno gehört hat, wo in unserem, im deutschen Namen, nicht von irgendwem, sondern vom Vater, Großvater oder Onkel, wer damals auch immer dabei war, Grausamkeiten begangen wurden, die man bis dahin in einer zivilisierten Welt nicht für möglich gehalten hat.

In Griechenland hat man peinlich darauf gesehen, dass dies nicht allzu laut wurde, denn Deutschland war ja inzwischen Nato-Partner. Die Menschen, die unter der Herrschaft gelitten haben, durften nicht reden, weil es politisch nicht opportun war. Und jetzt, als das Thema endlich aufgegriffen wird, fahren ihnen die großdeutschen Krakeeler wieder über den Mund und schreien: Das ist lange her. Fremdes Leid geht mich nichts an. Und nicht genug dessen, wenn ein Politiker wie beispielsweise Finanzminister Schäuble in derselben Arroganz auftritt, wie einstmals die Großdeutschen, erhält er auch noch Zustimmung. Wenn dieser Mensch, der mitverantwortlich ist für den Tod tausender Flüchtlinge im Mittelmeer, weil er auch dafür gesorgt hat, dass „Mare nostrum“ nicht europäisch finanziert wird, wenn dieser Mensch in einer Arroganz, die mich schämen lässt, dass ich in diesem Land geboren bin, sich zum neoliberalen Anwalt der neoliberalen Geldterroristen aufspielt und dabei in Kauf nimmt, dass die Infrastruktur eines europäischen Landes vor die Hunde geht, mit dem nicht zahlen können in die Krankenkassen nicht nur der Einzelne keine Behandlung mehr erhalten kann, sondern das Gesundheitswesen zusammenbricht, dann ist es höchste Zeit, eine solche gnadenlose Regierung vom Hof zu jagen.
Die Bundesrepublik, die wir 1989 erreichen wollten, die hat sich nach 1990 selbst aufgelöst im Gerassel eines sittenlosen Neoliberalismus, der nach der Implosion der Sowjetunion aus den amerikanischen Thinktanks gekrochen ist und nicht zuletzt auch in deutschen Politikern willfährige Genossen fand.
Und nun tritt eine Regierung mit Verve und Überlegung an, eine vom Volk gewählte. Aber wann hätte das je interessiert? Sie tut nicht, was ihr aufgetragen ist, sie will ihr Volk partout nicht in den Abgrund führen. Zu Recht! Da werden sämtliche Vorschläge vom Tisch gefegt, nicht nur von der Politik. Auch von willfährigen Journalisten. Nicht zuletzt „Der Spiegel“, früher mal im Selbstverständnis „das Sturmgeschütz der Demokratie“, heute längst umfunktioniert zum „Sturmgeschütz gegen Demokratie“ führt einen Propagandakrieg gegen die griechische Regierung. Es gehörte einst zum guten Ton, dass eine Regierung 100 Tage habe, um sich zu beweisen. „Der Spiegel“ titelte bereits einen Tag nach der Wahl mit „Geisterfahrer“ und meinte den neu gewählten griechischen Ministerpräsidenten Tsipras. Man kann nur hoffen, dass die Spanier den Griechen folgen und „Podemos“ wählen, dass die neue Linke eine fröhliche aus dem Süden wird, die der menschenverachtenden europäischen Politik es unmöglich macht, einfach so fortzuwalten.
Noch mal zurück zum Eingangsthema: Ein Neustart für Griechenland wäre möglich, wenn Deutschland seine Reparationsschulden begliche und so zum Wiederaufbau der griechischen Wirtschaft beitrüge, anstatt die europäischen Steuerzahler um der Banken willen um ihr Geld zu betrügen. Während man den „griechischen Schlendrian“ duldete, solange eine konservative griechische Regierung mit unter der Decke steckte, drehte man flugs, und zwar unter deutscher Führung (!) der neugewählten Linksregierung Griechenlands unter Alexis Tsipras den Geldhahn zu und erfindet die Ammenmärchen vom verschwenderischen griechischen Luxusleben, währenddessen ein Volk auf den Abgrund zutreibt. Der deutsche Historiker und Sozialforscher Karl Heinz Roth hat in seiner Flugschrift „Griechenland am Abgrund“ sehr deutlich darauf hingewiesen, dass sich das Land „am Rand einer humanitären Katastrophe“ befindet, während ein Herr Schäuble darüber fantasiert, dass das Land ja die Wahl habe. Deutschland hat die griechische Wirtschaft schon einmal ausgeplündert. Unseren gegenwärtigen Wohlstand, sofern man im unteren Drittel noch davon reden kann, haben wir nicht zuletzt dadurch finanziert, indem wir Länder wie Griechenland geprellt haben. Wäre es nicht an der Zeit, nun endlich gegenzusteuern? Oder ist den Deutschen das Ansehen ihres Landes in der Welt egal?
Ludwig Schumann