Einer der bedeutendsten, aber auch einer der vernachlässigsten Baumeister des Modernen Bauens ist der Architekt Heinrich Tessenow (1876-1950). Möglicherweise ist daran sein Verdienst schuld, dass er bei seinen Bauten auf jegliches spektakulär Aufgesetzte verzichtete. Einer seiner Assistenten wurde der Baumeister des Dritten Reiches, Albert Speer. Eigentlich hätte Tessenow innerhalb eines solchen Netzwerkes Karriere machen können. Dafür war er jedoch nicht abgezockt genug. In einem Brief an einen anderen seiner Schüler, der inzwischen im Büro Speers arbeitete, beschrieb er 1941 seine Skrupel: „Ich liebe gewiss nicht die Eiseskälte, die hier dominiert, nicht diese stirnrunzlige Kraft, die keine Kraft ist, nicht diese zeichenbrettlichen fassadlichen Massen, die nicht ‚groß’ sind und nicht diesen unmenschlichen Ernst ohne jedes Lächeln. Sie wissen es, lieber Herr Wolters. Ich glaube an eine andere Welt.“ So ist es nicht verwunderlich, dass er mit dem Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft kaum noch Betätigungsmöglichkeiten fand. So war Tessenow froh, als der Magdeburger Industrielle Wilhelm-Adolf Fahrenholtz ihn 1935 bat, das neue Verwaltungsgebäude der Firma Vereinigte Ölfabriken Hubbe & Fahrenholtz zu entwerfen. 1937 wurde das Gebäude feierlich übergeben. Mit Fahrenholtz war Tessenow befreundet. Nur so war er zu dem Auftrag gekommen. Und Fahrenholtz, der auch Präsident der Industrie- und Handelskammer war, band den Freund auch gleich bei der Planung der neu zu errichtenden Infanterie-Kaserne am Jerichower Platz mit ein. Tessenow hatte im Auftrag von Fahrenholtz bereits ein Hindenburg-Monument in Form eines großen Kubus aus Bruchsteinmauerwerk entworfen, dass dieser für die Westseite des Domplatzes vorgesehen hatte. Der damalige Standortälteste Magdeburgs, Generalmajor Otto, schlug seinerseits vor, dieses Hindenburg-Monument mit dem Kasernenkomplex am Jerichower Platz zu errichten. Tessenow willigte ein und wurde mit weiteren Planungen zum Gelände betraut. Seine Arbeit für diesen Komplex bestand in der Anfertigung des Lageplans, des Gartenplans, der Entwürfe für ein Stabshaus, ein Mannschaftshaus der Schützenkompanie, ein Mannschaftshaus der schweren Infanterie-Kompanie, zwei Wirtschaftsgebäuden, einer Wache, das Hindenburg-Ehrenmal und das Fahnenhaus. Bei den Planungen der Kraftfahrzeughallen, der Kraftfahrzeugwerkstatt sowie dem Exerzierhaus behielt er sich die künstlerische Beratung vor, auf der er auch bei der Ausgestaltung der Wirtschaftsgebäude mit bildender Kunst bestand. Die Hindenburg-Skulptur des Bildhauers Frank blieb 1939, als sich die Ereignisse in Folge des beginnenden Krieges zu überschlagen begannen, uneingeweiht. Dieses Kasernengelände blieb die letzte größere Tessenow-Arbeit.