Interner Streit, externe Komplexität – ganz normale Bürgersorgen
Bis zum März kannte man in Sachsen-Anhalt die Alternative für Deutschland (AfD) vor allem vom Protest auf der Straße. Über vier Monate ist die junge Partei im Landtag am Domplatz vertreten. Seither blieben die Demonstrationsauftritte gegen die etablierten Parteien aus. Das scheint verständlich. Schließlich konnte sich die AfD mit einem Viertelanteil an den Abgeordnetenplätzen im Parlament gut etablieren. Druck von der Straße her auszuüben, ist offenbar nicht mehr nötig. Man kann das politische Spektrum nun getrost vom Abgeordnetenstuhl aus aufmischen. Ach so, da mischen sich jetzt ab und an AfD-Mitglieder gegenseitig auf. Einer trage des anderen Last oder mancher trägt nach außen, was draußen besser nicht so gesehen werden sollte. Oder warum musste der parlamentarische Geschäftsführer Daniel Roi nun eine Rüge des Landesvorstandes einstecken? Ach ja, er hatte aus Sorge vor mangelnder Abgrenzung nach rechts ein Papier an die Lügenpresse weitergegeben. Eigentlich steht die AfD doch dafür, dass sie sich besorgten Bürgern annimmt. Und nun so etwas. Gut, dass die CDU aktuell Sorgen mit ihrem Landtagspräsidenten Hardy Güssau hat und dessen Ein- oder Nichteinwirken bei der Stendaler Stadtratswahl aufarbeiten muss. Eine große Sorge überdeckt die kleinen eigenen. Politik sollte vielleicht besser Sorgenfall heißen. Es existiert kein Lebensbereich, der politisch be- ackert wird und der keine Sorgen machen würde. Entweder fehlt Geld oder es ist nicht richtig eingesetzt bzw. falsch verteilt. Personell gibt es generell Sorgen. Meistens fehlen Fachkräfte und wenn nicht, sind in anderen Bereichen einfach zu viel. Dazu kommt die permanente Sorge über ungeschützte Grenzen, also ich meine jetzt keine Staatsgrenzen, sondern solche für die es keine ausreichende Regelung oder Gesetzesgrenzen gibt. Politik ist halt ein weites Feld, auf dem man sich leicht verirren kann und selbst wenn man regelnde Begrenzungen allzu hoch aufstellt, verliert man oft ganz den Überblick. Deshalb sorgen sich Bürger immerfort über Politiker. Besorgte Bürger sind nämlich gar nicht so außergewöhnlich. Die Straße hat ihre eigenen Gesetze, parlamentarische Demokratie, Gesetzesprozesse und politische Geflogenheiten ebenso. Es braucht seine Zeit, bis sich eine junge Partei wie die AfD im politischen Universum und im Spiel der Energien und Kräfte ausbalancieren kann. Doch eines lässt sich ohne Sorge beobachten – und es ist dafür nicht einmal ein starkes Teleskop nötig: Die AfD ist im Politik-Universum angekommen und zappelt jetzt im selben Netz wechselhafter Wellen-Teilchen-Bewegungen wie die anderen auch. Hoffentlich muss man sich da keine Sorgen machen oder doch nur dieselben wie immer. Thomas Wischnewski