Woanders ist’s immer schöner

thomas_editorialStädte-Duell Halle vs. Magdeburg und die wahre Heimatliebe

Mehr als erstaunlich ist eine Leserumfrage der Mitteldeutschen Zeitung in Halle ausgefallen. Die Redaktion hatte ein Städte-Duell zwischen Halle und Magdeburg initiiert. Zu zehn ausgewählten Bereichen konnten Leser ihren jeweiligen Favoriten wählen. Da wurde beispielsweise nach dem schöneren Dom gefragt, nach dem attraktiveren Kneipenviertel, dem vielfältigeren Kulturangebot, der besseren Flaniermeile, den Erholungsvorteilen oder der cooleren Fußballstadion-Atmosphäre. Klar, jeder Magdeburger würde vermutlich sagen, was für eine blöde Umfrage, beim ewigen Streit, welche die größere, bessere Stadt usw. ist, halten Hallenser der Saalestadt die Treue. Weit gefehlt. In neun von zehn Umfragepunkten gaben die Leser der MZ der Landeshauptstadt den Vorzug. Einzig beim Zug-Angebot der Deutschen Bahn hatte Halle die Nase vorn. Das Ergebnis lässt zwei Schlüsse zu: Entweder Hallenser verfügen über eine enorm objektive Sicht auf Vor- und Nachteile der beiden sachsen-anhaltischen Metropolen oder es trifft die alte Erkenntnis zu, woanders ist es immer schöner als Zuhause. Das erklärte andererseits auch den häufig sehr kritischen Spiegel der Magdeburger zur Elbestadt. Auf jeden Fall rückt das Umfrage-Fazit die Hallenser in ein völlig neues Licht. Dem Oberbürgermeister der Saalestadt, Berd Wiegand, muss das Resultat des MZ-Städte-Duells schon vorher zu Ohren gekommen sein. Denn fast zeitgleich mit der Veröffentlichung kündigte Wiegand an, Halle ebenfalls in das Bewerbungsverfahren zur Europäischen Kulturhauptstadt führen zu wollen. In der Ottostadt hegt man die Pläne bereits seit fünf Jahren. Im März schrieben die Regierungsparteien CDU, SPD und Grüne die Unterstützung der Landesregierung für Magdeburg sogar in den Koalitionsvertrag. Der Seitenhieb aus Halle gleicht dem Stänkern eines neidischen Nachbarn, der dem anderen seinen Vorteil nicht gönnt. Da gilt der alte gute Ratschlag: Immer siegesbewusst lächeln, das macht den Gegner ganz nervös. Empfehlenswert wäre ebenso, dass die hiesige Tageszeitung dieselbe Umfrage unter Magdeburgern machte. Läge hierzulande Halle vorn, bleibt’s bei der Einsicht, oft glaubte man, dass es anderenorts schöner ist. Gewönne die Landeshauptstadt, wäre dies ein starkes Indiz für die patriotische Heimatliebe der Elbestädter. Aus der möglichen Konkurrenzbewerbung der Saalestadt muss man ebenfalls kein Drama aufführen. Bekanntlich belebt Konkurrenz das Geschäft. Ich würde sogar vermuten, dies könnte in Magdeburg zu erhöhten Anstrengungen für die Bewerbung führen. Vielleicht mischten sich sogar bisherige Kritiker ein und wandelten sich zu ideenreichen Unterstützern. Dann würde es am Ende keinesfalls woanders schöner, sondern hier. Thomas Wischnewski