Zwei Männer schrieben in der Region um Magdeburg deutsche Rechtsgeschichte: Erzbischof Wichmann mit dem Magdeburger Recht und Eike von Repgow mit dem Sachsenspiegel. Wichmann von Seeburg ließ einen Kanon von Vorschriften erarbeiten, der auf die Belange freier Bürgerschaften und eines liberalen Handels- und Gewerberechts ausgerichtet war. Dieses Recht regelte die Einnahmen aus dem Münzwesen und dem Zoll, das Aufenthaltsrecht für Juden und die Rechte und Pflichten für Handwerker und lokale Händler. Klägern und Beklagten in der Stadt, aber auch fremden Kaufleuten, gab Wichmann eine neue Rechtssicherheit: Vergehen gegen Leib und Gut sollten nicht mehr verjähren, wenn eine sofortige Klage eingereicht wurde. Für Körperverletzungen, auch mit Todesfolge, hatten von nun an nicht mehr die unmittelbaren Verwandten einzustehen. Die Kaufleute mussten sich bei Streitigkeiten mit dem ortsansässigen Adel nicht mehr dem Gottesurteil durch Zweikampf stellen, sondern konnten sich durch Eid entlasten. Die Gerichtsverfahren sollten abgekürzt, kleinere Vergehen noch am gleichen Tag abgeurteilt sein. Damit konnten besonders auswärtige Händler bei geringen Verstößen gegen die öffentliche Ordnung schnell wieder ihren Geschäften nachgehen. Das Magdeburger Recht entwickelte sich zu einem Erfolgsmodell: Unmittelbar nach der schriftlichen Niederlegung übernahmen viele Städte des Deutschen Ordens und Landesfürsten im Osten das Regelwerk, so in Schlesien, Polen, Böhmen und Mähren sowie in einer Reihe von Städten in Ungarn, Litauen, Weißrussland und der Ukraine. In schwierigen Rechtsfragen wandten sich deren Stadträte an den Magdeburger Schöffenstuhl, der sich dadurch zu einem Zentrum der Rechtsberatung entwickelte. Deshalb beschlossen die Schöffen um 1215, ein Register anzulegen, das Schöffenbuch, in dem sie alle Rechtsfälle und die Empfehlungen des Schöffenstuhls niederlegen ließen. Zur Zeit Wichmanns studierte an der Domschule ein Knabe namens Eike von Repgow. Er war ein Landeskind – seine Eltern gehörten wahrscheinlich zu den flämischen Kolonisatoren und besaßen ein Gut beim heutigen Reppichau bei Dessau. Dank Repgows Bemühungen entstand um 1220 auf der Burg Falkenstein der „Sachsenspiegel“. Den ersten Teil bildet das Landrecht für freie Leute und Bauern zusammen mit dem Strafrecht und der Gerichtsordnung. Der zweite Teil – das Lehnsrecht – regelt als eine Art Verfassung das Verhältnis zwischen den Ständen und dem König oder Kaiser. Nur wenige Menschen der Zeit konnten lesen und schreiben. Deshalb ließ Repgow den Text von entsprechenden bildlichen Darstellungen der Rechtspraktiken und der Lösung der Probleme begleiten. Die Übersetzung ins Deutsche und Verbreitung über den Deutsch-, Franken- und Schwabenspiegel begründete auch die Vereinheitlichung der niederdeutschen Schriftsprache. Noch bis zum Erlass des Allgemeinen Preußischen Landrechts 1794 bzw. des Code Civil Napoleons 1806 hatten diese Rechtsverordnungen in Sachsen Bestand, sogar noch bis 1900 in Lauenburg, Anhalt und in thüringischen Kleinstädten.