„So’n Opa hätt’ ich auch gern“

heinerwaldmannLautes Hubschrauberknattern erfüllt den Raum. Eine Brücke kommt ins Sichtfeld. Taumeln. Schwanken. Dann ein „rumms“. Heiner zuckt mit den Schultern. Schon wieder hat er eine Bruchlandung hingelegt. Dabei steuert er den Hubschrauber sonst sehr sicher durch die Luft. Aber er wird ständig von der Fotografin abgelenkt. Für das Foto soll er doch kurz in die Kamera lächeln. Und bitte mal den Joystick benutzen – sieht besser aus, als nur das Keyboard zu bedienen. Aber mit dem Joystick lässt sich der Hubschrauber eben nicht steuern. Also folgt die nächste Bruchlandung. „Ist nicht so schlimm“, meint Heiner Waldmann und lacht. Schließlich habe er schon den höchsten Rang erreicht, da wirke sich so etwas nicht auf seinen Status aus.

Wo früher das Zimmer seines Sohnes war, hat sich Heiner seinen eigenen Spielraum eingerichtet. In einer Vitrine stehen Computerteile aus vergangener Zeit. Der Schreibtisch wird von einem großen Bildschirm dominiert. Davor Computermaus, Kopfhörer, Keyboard, Joystick. Und unter dem Schreibtisch steht das Herzstück: ein Gamer-PC. „Den habe ich von EA geschenkt bekommen“, sagt Heiner stolz. EA (Electronic Arts) ist ein bekannter Hersteller von Computer- und Videospielen. Und Heiner ist auch nicht einfach irgendjemand. Der Magdeburger ist mit 77 Jahren der älteste Battlefield-Spieler der Welt und in der Community durchaus bekannt.

heinerwaldmann

Nicht nur Spaß: Beim Computerspielen schult der 77-jährige auch seine Reflexe. Foto: Viktoria Kühne

Dass sich Heiner als Rentner nicht von der modernen Technik abschrecken lässt, ist kein Zufall. Bereits Ende der 1960er Jahre kommt der nahe Halberstadt Geborene zum ersten Mal mit einem Computer in Berührung. „Man kann sich heute gar nicht mehr vorstellen, was für ein monströses Gerät das damals war.“ Er schüttelt den Kopf und holt ein Tablet hervor. „Heute passt das alles in diese kleine Kiste und der Speicher ist um ein Vielfaches größer.“ In Leningrad hat Heiner Elektronik studiert. „Später war ich u.a. für die Armee tätig und als Dozent für Grundlagen der Elektrotechnik, Radartechnik und Funkwesen.“ Auch abseits des Berufs hat ihn das Thema nicht losgelassen. „Es interessiert mich vor allem, was sich im Computer abspielt, wie er funktioniert.“ Und weil Heiner sich so gut damit auskennt, ist er bei Familie und Freunden sehr gefragt, wenn mal Hilfe in Sachen Technik benötigt wird. Mit dem Spielen habe er allerdings erst zur Jahrtausendwende begonnen. „Als Rentner hat man ja mehr Zeit und so habe ich einiges ausprobiert.“ Gefallen findet er schließlich an Kriegssimulationen – wie etwa die Battlefield-Reihe. Seit 2002 „Battlefield 1942“ erschien, ist Heiner dabei, spielt in einem sogenannten Clan, kommuniziert viel mit seinen Mitspielern und hat einige von ihnen sogar schon persönlich kennengelernt. Bei der weltweit größten Messe für interaktive Unterhaltungselektronik, der Gamescom in Köln, beispielsweise, wo Heiner mehrmals als gefragter Gast eingeladen war. Den Rummel um seine Person hat er anfangs nicht verstanden. „Andere Senioren spielen Skat, manche Sammeln Briefmarken und ich spiele eben am Computer – das ist auch nur ein Hobby wie jedes andere.“ Ein Hobby, das ihn jung hält, ist sich Heiner sicher. Zum einen trainiert er seine Reflexe, schult seine kog-nitive Wahrnehmung. Zum anderen bleibt er, was die moderne Technik betrifft, auf dem Laufenden. „Außerdem habe ich mit vielen jungen Menschen zu tun, die mir auch Respekt entgegenbringen.“ Schon oft habe er zu hören bekommen: „So’n Opa hätt ich auch gern.“ Vor allem das Zusammenspiel im sogenannten Multiplayer-Modus macht dem 77-Jährigen Spaß. „Man feilt gemeinsam an einer Strategie, an der Taktik, erfüllt Missionen und hilft sich gegenseitig – das Teamwork ist wichtig.“ Etwa 11.000 Stunden hat der Magdeburger bereits auf seinem Battlefield-Konto gesammelt. So viele wie niemand sonst. „Etliche Spieler denken, dass ich den ganzen Tag vor dem Computer hocke. Aber die hohe Anzahl an Stunden hat sich einfach daraus ergeben, dass ich schon seit 2002 dabei bin“, erklärt er und verweist darauf, dass er meistens abends, wenn seine Frau schon zu Bett gegangen ist, zwei bis drei Stunden spielt.

Heiners Frau lacht. „Manchmal auch etwas länger“, gibt er dann schmunzelnd zu. Er nickt dabei auch langsam als wolle er ihr Anerkennung dafür zollen, dass sie das für sein Alter ungewöhnliche Hobby toleriert. Mehr noch. „Sie unterstützt mich, bringt mir zwischendurch Kaffee oder geht ins Fachgeschäft, um eine Festplatte zu besorgen.“ So wie vor ein paar Tagen, als Heiner etliche Stunden damit verbracht hat, seinen Rechner aufzurüsten. Tina Heinz