Frauen zeigen Flexibilität, Engagement und haben die Gesellschaft in vielen Bereichen bunter gemacht, nur bei der Kosmetik kommen sie nicht aus ihren alten Mustern.
Von Thomas Wischnewski
Frauen wird heute viel mehr abverlangt als noch vor 100 Jahren. Das Rollenbild war damals vorrangig von den traditionellen Funktionen der Ehe-, Hausfrau und Mutter geprägt. Unternehmerinnen, Wissenschaftlerinnen oder Künstlerinnen waren eher die Ausnahme. Heute sehen wir Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen, in wirtschaftlichen und politischen Führungspositionen, als Initiatorinnen für unternehmerische Ideen oder in vorderster Front von Vereinen und Projekten.
Mag die Diskussion zum Thema Gleichberechtigung auch weiterhin breit und intensiv geführt werden, das weibliche Geschlecht hat mit eigenem Engagement das Leben bunter gemacht und vielschichtig bereichert. Die Damen werden vielfach sichtbar und stehen neben Männern ihre Frau.
Prinzipiell kann man schlussfolgern, dass Frauen heute in viel mehr Rollen schlüpfen können. Männer verharren dagegen offensichtlich in ihren alten Mustern und klagen deshalb mehr und mehr darüber, dass sie gegenüber dem weiblichen Geschlecht an Boden verlieren. Fraglich ist, ob sie in der Mehrheit eher Schwierigkeiten haben, ihre klassischen Bestimmungen als Ernährer, Familienoberhäupter sowie politische und wirtschaftliche Lenker abzulegen oder ob eventuell von der Frauenwelt kaum Plätze und Rollen freigemacht werden, in denen Männer aufgehen können. Während die Herren der Schöpfung vermutlich an ihren Werten und Rollenvorstellungen festhalten, bewegen sich Frauen flexibel und anpassungsfähig durch die moderne Zeit. Sie bringen Familie, Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen und Beruf unter einen Hut. Und dies nicht nur als Ehefrau oder Lebenspartnerin, sondern gar als Alleinerziehende. In manchen schlummert scheinbar so viel Energie, dass sie mühelos Spitzenkarrieren und Kindererziehung miteinander vereinbaren können. Andere Frauen pflegen indes die traditionellen Funktionen und setzen in einer aktiven Lebensphase Mutterschaft und Haushalt in den Mittelpunkt ihres Seins.
Man könnte das männliche Geschlecht unter der Anpassungs- und Belastungsfähigkeit als das schwächere begreifen. Doch Frauen besitzen Eigenheiten, die trotz aller Entfaltungsmöglichkeiten nicht nur unüberwindlich erscheinen, sondern gar Blüten treiben, über deren Auswirkung sich die Damenwelt offensichtlich wenig Gedanken macht. „Kosmetik ist die Lehre vom Kosmos des Weibes“, formulierte einst der österreichische Satiriker und Dramaturg Karl Kraus (1874 bis 1936). Die kosmetischen Gebaren des schönen Geschlechts, die seinerzeit schon für besondere Verwunderung bei Männern sorgten, hat sich nicht nur erhalten, sondern entwickelte eine derartige Dynamik, dass daraus eine weltweite Milliarden-Beauty-Industrie gewachsen ist. Die Gründe, warum Frauen so anfällig für Cremes, Lippenstifte, Lidschatten, Haarfärbemittel und unzählige andere Pflegeprodukte sind, mögen natürlich archaische sein. Es geht sicher darum, öffentlich Reize zu betonen oder Auffälligkeiten zu erzeugen. In den vergangenen drei Jahrzehnten nahm außerdem die Schar gläubiger Frauen, die mittels Kosmetika den Kampf gegen den natürlichen Verfallsprozess der Haut aufgenommen haben, immens zu. Bei ihrer Anzahl kann man heute sicher von einer Art kosmetischen Weltreligion sprechen. Der satirische Ausspruch von Karl Kraus entfaltet unter diesen Aspekten erst jetzt seine wahre Bedeutung.
Wie viele einzelne Produkte zum Schminken, Pflegen, Schützen und „Verjüngen“ weltweit hergestellt werden, lässt sich kaum zusammentragen. Hinzu kommen noch die unzähligen Salben und Seifen, die meist von Frauen selbst in kleinen, privaten Manufakturen zusammengerührt und liebevoll verpackt werden. Die man in Natur- und Bioläden, auf Handwerker- und Themenmärkten kaufen kann. Allein in Deutschland wurden laut Wikipedia im Jahre 2007 insgesamt 287 Tonnen Parfüm hergestellt. Und dies macht den kleinsten Anteil an der kosmetischen Gesamtproduktpalette aus. Bei Duftwässern waren es 4.309 Tonnen, 1.370 Tonnen allein für Augenschminkmittel. Für die wundervollen weiblichen Lippen stellte die Industrie 3.170 Tonnen bereit. Der Berg an Handpflegemitteln wog 14.106 Tonnen. Die Produktion von Beautystoffen für Finger- und Fußnägel betrug 2.190 Tonnen.
Noch exorbitanter sind die Zahlen, wenn es um die Körperhygiene geht. 135.110 Tonnen flüssige Haarwaschmittel, 99.400 Tonnen Duschbäder und 42.380 Tonnen Schaumbäder wurden in Deutschland erzeugt. Die Jahresproduktion bei Haarsprays betrug 35.970 Tonnen und die für Haarfärbemittel 55.080 Tonnen. Natürlich haben an der Masse der Flaschen, Flacons, Tuben und Dosen auch die Männer ihren Verbrauchsanteil. Es darf aber vermutet werden, dass dieser eher einen geringen Prozentsatz ausmacht. Man sollte ebenfalls beachten, dass dies nur die deutschen Erzeugerangaben sind. Möge davon einiges in den Export gehen, so liefern sicher Nationen wie Frankreich, die Schweiz oder die USA noch einen viel größeren Kosmetik-Berg hierher.
Bedenkt man, dass alle diese Stoffe nicht in ein kosmisch schwarzes Loch fallen, sondern entweder von der Haut aufgenommen und abgebaut bzw. in ihrer größten Menge beim Waschen wieder in den Wasserkreislauf kommen, erhält man eine Ahnung davon, was die weibliche Kosmetik-Umlaufbahn für Auswirkungen auf die Umwelt haben wird. Jede Frau findet sicher ganz individuelle Argumente, warum das eine oder andere Mittel besonders gut für sie sei, aber keine denkt offenbar auch nur einen angemalten Lidschlag über die Auswirkungen sowie den ökologischen Preis für die tägliche, persönliche Schönheitskur nach. Insofern zeigt die moderne, starke Frau in der Normalverteilung doch einige Schwächen. Wenn es um die weibliche Kosmetik geht, kann man Karl Kraus noch eine schöne Analogie zum Universum nachschieben: Der Kosmetik-Kosmos des Weibes dehnt sich weiter aus.
*Aphorismus des österreichischen Satirikers und Dramatikers Karl Kraus (1874 bis1936).