Das seelische Wohlbefinden trägt wesentlich zu unserer Lebensqualität, sozialen Teilhabe und Leistungsfähigkeit bei. Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit verursachen nicht nur Einschränkungen der Lebensqualität, sie beeinflussen auch das körperliche Wohlbefinden. Nach Angaben des Bundesministeriums für Gesundheit leidet fast jeder dritte Mensch im Laufe seines Lebens an einer behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung. Etwa zehn Prozent der Fehltage bei den Berufstätigen gehen demnach auf Erkrankungen der Psyche zurück. Weltweit zählten Depressionen, Alkoholerkrankungen, bipolare Störungen und Schizophrenien zu den häufigsten Erkrankungen. Auch in Deutschland machten psychische Erkrankungen seit den letzten zehn Jahren einen immer größeren Anteil im Diagnose- und Behandlungsspektrum aus. Der Arbeitskreis Krankenversicherung nennt als häufigsten Grund für Berufsunfähigkeit ebenfalls psychische Krankheiten, wie Depressionen, welche knapp 30 Prozent der Berufsausfälle ausmachen. Daneben seien Herz-Kreislauferkrankungen, Erkrankungen des Bewegungs- und Skelettapparates, Krebs, Nervenleiden und Unfälle weitere Gründe für den Eintritt einer Berufsunfähigkeit. Diverse epidemiologische Studien verweisen darauf, dass psychische Erkrankungen nicht nur zu den häufigsten, sondern auch zu den kostenintensivsten Erkrankungen zählen.
Das Projekt „Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt“ (die Leitung obliegt dem BKK-Dachverband) hat sich in fachlicher Begleitung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin mit den Daten der gesetzlichen Krankenkassen auseinandergesetzt, die belegen, dass die Zahl der Fehltage (Arbeitsunfähigkeitstage) wegen psychischer Erkrankungen seit Jahrzehnten deutlich ansteigt – in der vergangenen Dekade um mehr als 97 Prozent. Neben der Krankheitsdauer – die durchschnittliche Dauer psychisch bedingter Krankheitsfälle ist laut dem BKK-Gesundheitsreport von 2015 mit 39,1 Tagen dreimal so hoch wie bei anderen Erkrankungen mit 13,3 Tagen – spielt auch die krankheitsbedingte Frühberentung für die Wirtschaft eine enorme Rolle. Der Anteil von Personen, die aufgrund seelischer Leiden frühzeitig in Rente gingen, stieg nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung zwischen 1993 und 2014 von 15,4 auf 43,1 Prozent. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin ermittelte 2011, dass allein die direkten Krankheitskosten für psychische Erkrankungen bei knapp 16 Milliarden Euro pro Jahr liegen, und prognostizierte, dass diese bis 2030 auf etwa 32 Milliarden Euro anwachsen könnten. Der noch größere Anteil an indirekten Kosten – verursacht durch reduzierte Produktivität während der Arbeitsjahre und vorzeitige Verrentung – sei dabei noch gar nicht berücksichtigt.
Im Durchschnitt werden laut DAK-Gesundheitsreport von 2016 bundesweit die meisten Fehltage durch Depressionen verursacht. Als weitere Gründe werden Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen, neurotische Störungen, Angststörungen und somatoforme Störungen (körperliche Beschwerden, die sich nicht oder nicht hinreichend auf eine organische Erkrankung zurückführen lassen, wie etwa Müdigkeit und Erschöpfung) genannt.
Negativ-Trend auch in Sachsen-Anhalt zu erkennen
Für Sachsen-Anhalt listet die AOK innerhalb der Krankheitsart „Psyche“ seit 2010 die drei häufigsten Einzeldiagnosen für die Bereiche depressive Episode, Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen sowie somatoforme Störungen. Der bundesweite Trend mache sich laut AOK ebenfalls in Sachsen-Anhalt bemerkbar. Demnach war – gemessen am prozentualen Anteil an Diagnosefällen – die Krankheitsart „Psyche“ von 2010 bis 2012 die fünfthäufigste Hauptdiagnosegruppe im Bundesland, jeweils direkt hinter der Krankheitsart Herz-/Kreislauf. Zwischen 2013 und 2015 war „Psyche“ sogar die vierthäufigste Hauptdiagnosegruppe und hat damit in diesem Zeitraum die Krankheitsart Herz-/Kreislauf überholt. Der Anteil an Diagnosefällen und damit die Häufigkeit der psychischen Erkrankungen ist in den letzten Jahren stetig gestiegen – von 7,7 Prozent im Jahr 2010 auf 9,7 Prozent im Jahr 2015. Auch die Krankheitsdauer ist in Sachsen-Anhalt in diesem Bereich zwischen 2010 und 2014 stetig angewachsen. 2010 waren es 22 Tage je Fall, im Jahr 2014 bereits 26,1 Tage je Fall. Im Jahr 2015 ist der Wert erstmals seit 2010 wieder gesunken, und zwar auf 25,4 Tage je Fall.
Die Barmer GEK hat in ihrem Gesundheitsreport 2015 das Thema Krankschreibung aus Gründen von psychischer Erkrankungen für das Bundesland Sachsen-Anhalt noch genauer aufgeschlüsselt. Bundesweit war demnach ein Versicherter im Jahr 2015 durchschnittlich 3,32 Tage krankgeschrieben. Sachsen-Anhalt lag jedoch in diesem Zeitraum mit 4,8 Prozent unter dem Bundesschnitt. Hier war ein Versicherter durchschnittlich 3,16 Tage im Jahr aufgrund psychischer Erkrankungen nicht arbeitsfähig. In Magdeburg betrug die Anzahl der Arbeitsunfähigkeitstage je Versichertem 3,33 Tage (0,3 Prozent über Bundesdurchschnitt), ähnlich im Kreis Jerichower Land (0,8 Prozent über Bundesdurchschnitt). Höher war die Zahl der Fehltage aufgrund von psychischer Erkrankungen im Salzlandkreis: 3,44 Tage (3,6 Prozent über Bundesdurchschnitt). Der Landkreis Börde lag hingegen im Jahr 2015 4,7 Prozent unter dem Bundesdurchschnitt – hier war ein Versicherter 3,16 Tage (ähnlich dem Landesdurchschnitt) aufgrund psychischer Erkrankungen arbeitsunfähig.
Deutliche Unterschiede führt die Barmer GEK beim Vergleich der Geschlechter auf. Demnach dauern die Fehlzeiten nach Krankschreibungen wegen „Psychischer oder Verhaltensstörungen“ bei Frauen durchschnittlich bis zu zwei Mal so lange wie bei Männern: in Sachsen-Anhalt kommen die Männer auf 2,23 Arbeitsunfähigkeitstage pro Jahr, Frauen hingegen auf 4,26 Tage (bundesweit 2,65 Tage bei Männern und 4,10 Tage bei Frauen). (th)