Gesundheit!“ ruft man, wenn jemand niest, so jedenfalls bekamen wir es als Kinder mit auf den Weg. Gesundheit, was eigentlich ist das? Einfach das Fehlen von Krankheit? Der Philosoph Friedrich Nietzsche, selbst Syphilitiker und zuletzt geistig umnachtet, brachte es auf die Formel: „Gesundheit ist dasjenige Maß an Krankheit, das es mir noch erlaubt, meinen wesentlichen Beschäftigungen nachzugehen.“ Klingt zwar zynisch, ist aber eher ermutigend. Wer trotz Schmerzen im Kopf noch die Kundschaft bedienen kann, mit Husten oder Durchfall oder steifem Knie im Labor zu arbeiten oder Schüler zu unterrichten vermag, ist gemäß Nietzsche gesund.
Die Krankenkassen könnten Milliardenbeträge einsparen, wollten sie nur diejenigen unter ihre Fittiche nehmen, die den für sie „wesentlichen Beschäftigungen“ tatsächlich nicht mehr nachgehen können. Oder sollten. Was tun wir nicht alles, um frei von Krankheit zu bleiben. Wahre Scheußlichkeiten werden gegessen oder getrunken, weil sie vermeintlich gesund sind. Man fastet, enträtselt stapelweise Kreuzworträtsel oder nimmt körperliche Strapazen auf sich, die, wollte sie uns der Arbeitgeber abverlangen, die Gewerkschaften auf den Plan riefen oder geradewegs zur Krankschreibung führten. Andere Zeitgenossen bzw. Zeitgenießer, die liegen auf der faulen Haut, um der Gesundheit durch „Entschleunigung“ zu frönen. Aber wie das Leben nun mal so spielt, irgendwann kommen die Krankheiten trotzdem. Nicht nur die erwischt es, die sich nie sonderlich um Gesundheit bemüht haben. Nein, auch jene, denen gesund zu bleiben wichtiger ist als das Leben selbst. Wie tröstlich für die ersteren: Unter den Hundertjährigen finden sich kaum jemals Gesundheitsapostel, eher solche, die das Leben gelassen nehmen. Die Wissenschaft indes, die weiß es genau: Für ein langes Leben in körperlicher und geistiger Gesundheit kommt es weit mehr noch auf die rechte Kombination von Erbanlagen an, und die, leider, ist nun mal Zufall. Jedem Einzelnen von uns bleibt es überlassen, aus der ureigenen, höchst individuell zusammengewürfelten Gen-Ausstattung das jeweils Beste zu machen, z. B. eben einigermaßen vernünftig – d. h. gesund – zu leben. Was immer das ist, ich hoffe, Sie haben dafür das richtige Händchen. In diesem Sinne: Gesundheit!
Der Autor: Gerald Wolf, Studium der Biologie und Medizin, Universitätsprofessor. Bis zu seiner Emeritierung (2008) war er Direktor des
Instituts für Medizinische Neurobiologie an der hiesigen Universität. Autor hunderter Publikationen, darunter drei (Wissenschafts)Romane. 14-tägig ist er in der Sendung „GeistReich“ (MDR, ab 11 Uhr) zu erleben.