„Ich bin reisesüchtig“

first-1Reisen schenkt Gelegenheit, dem Alltag zu entfliehen, neue Eindrücke zu sammeln und Ungekanntes in der Ferne zu erleben. Jeder nimmt Wünsche und Hoffnungen mit auf einen Ausflug in die Fremde. Doch welchen Blick aufs Reisen und die Reisenden hat jemand, der täglich andere auf Reisen schickt und genau weiß, wo die Urlauber hinkommen? Ein Gespräch mit Gordon Keirat vom „First Reisebüro“ über die Sonnen- und Schattenseiten des Reisegewerbes.

Herr Keirat, seit wann gehört das Verreisen zu Ihrem Alltag?
Gordon Keirat: Schon seit 1991, als ich eine Lehre als Reiseverkehrskaufmann begonnen hatte.

Nach 25 Jahren Reise-Berufsjahren kennen Sie da Kunden, die  mehr Urlaubsmeilen auf dem Buckel haben, als Sie selbst?
Definitiv nicht. Wenn es jemanden gibt, der meint, mehr Kilometer verreist zu sein als ich, dem spendiere ich gern eine Flasche Sekt, Geschäftsreisende natürlich ausgenommen.

Welche Länder der Erde überwiegen bei Ihnen, jene die Sie bereist haben oder solche, in denen Sie noch nicht waren?
Ich gebe zu, ich habe das noch nicht nachgezählt. Allerdings kann ich mit Sicherheit sagen, dass es für mich weniger weiße Flecken auf der Landkarte gibt, als bereits bekannte.

Wenn Reisen und Urlaub zum langjährigen Alltag wird, verliert man dann irgendwann den Spaß daran?
Für andere kann ich nicht sprechen. Ich habe nie den Spaß daran verloren, schicke andere gern rund um den Erdball und ich bin selbst reisesüchtig.

Lassen Sie sich von ausgefallenen Reisewünschen noch überraschen?
Eher nicht. Manchmal kommen Kunden mit dem Glauben, ein ganz außergewöhnliches Ziel zu kennen. Allerdings ich kenne die eigentlich alle. Jeder kann doch nur solche Reiseziele finden, die letztlich irgendwo – meist im Internet – beschrieben sind. Da ist es schwierig, jemandem wie mich oder eine meiner Kolleginnen zu überraschen. Wir beschäftigen uns halt mit nichts anderem.

Wenn es für Sie kaum etwas Neues zu entdecken gibt, wo bleibt dann noch der Reiz am Reisen?
Die Entdeckung ist eben nicht nur irgendein unbekannter Ort in einem weit entfernten Land, sondern die Unternehmung selbst. Das Aufbrechen, die Zeit in einem anderen Kulturraum, die klimatische Veränderung und viele fremde Menschen.

Haben Sie ein Lieblingsreiseziel?
Ja, mein Lieblingsland ist Australien. Landschaft und Natur üben auf mich einen besonderen Zauber aus. Die Menschen, denen ich dort begegne, sind unheimlich freundlich.

Warum, glauben Sie, erscheinen uns Menschen an anderen Orten der Welt eher freundlich und sympathisch im Gegensatz zur bekannten Spezies in der Heimat?
Das Geheimnis lässt sich wohl damit erklären, weil wir nicht mit deren Alltagsproblemen verknüpft sind. Zuhause stecken wir selbst in unserer bekannten Problemwelt. In einem anderen Land sind wir nur zeitweilige Beobachter. Außerdem haben wir Zwänge, Stress und Nerviges in der Heimat gelassen. Vielleicht passt der Vergleich, Reisen ist als würde man einen mehrtägigen Film im Kino sehen, nur dass man sogar noch selbst mitspielt.

Gibt es eigentlich bestimmte Urlaubstypen, bei denen man schon vorher weiß, was sie für eine Reise unternehmen wollen?
Es gibt Sie. Ich kann nicht für jeden ein ganz bestimmtes Merkmal nennen, an dem ich das festmachen könnte. Das ist so ein Gesamteindruck, den Menschen ausstrahlen. Manchen Hurtigruten-Reisenden kann man an seiner Jacke erkennen. Was ich in den vielen Jahren als Reisevermittler aber auch gelernt habe, ist, niemals jemanden nach seiner Kleidung zu beurteilen. Mir sind schon Kunden untergekommen, bei denen man vielleicht vermuten würde, dass sie preiswert Last-Minute verreisen wollen, aber dann eine Reise um die halbe Welt buchen.

Was machen Sie, wenn vor Ihnen ein Pärchen sitzt, bei dem jeder Partner einen anderen Reisewunsch im Kopf hat?
Das ist eher die Regel, denn die Ausnahme. Das ist unser Job, unterschiedliche Erwartungen unter einen Hut zubekommen. Da wir die Urlaubsziele und die Möglichkeiten dort kennen, können wir die Wünsche miteinander verbinden. Entspannung und Entdeckungen, Spaß und Aktivurlaub lassen sich häufig viel besser kombinieren, als man denkt. Was wirklich zählt, ist die Bereitschaft, etwas auf sich zukommen zu lassen. Das ist quasi das Grundgeheimnis des Reisens. Wer glaubt, er wisse ganz genau, was er in seinem Urlaub erleben würde, braucht doch eigentlich gar nicht erst loszufahren.

Ist Ihnen schon einmal etwas unerwartet Negatives passiert?
Vor Kurzem saß ich erstmals wegen eines Streiks am Flughafen fest. Das Problem konnte ich aber relativ schnell durch eine Umbuchung lösen. Jetzt habe ich eine höhere Aufmerksamkeit für das Phänomen. Man kann sich sehr gut über solche Situationen informieren und Auswege finden.
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Die Türkei ist bisher immer ein beliebtes Reiseziel gewesen. Hat sich durch die Entwicklung in der Region daran etwas geändert?
Ja, die Nachfrage hat sich in der Tat verändert. Allerdings sollte man die Reiseanbieter nicht unterschätzen. Sie sind flexibel genug, Alternativen zu eröffnen. Wir haben da einige Ideen und Angebote in petto, die genauso attraktiv sind, wie bisherige Urlaubsaufenthalte in der Türkei.

Wenn Sie selbst gern auf Reisen sind, kommt da nicht oft Neid auf, wenn Sie täglich erleben, wie sich andere aus dem Staub machen?
Was denken Sie? Na klar, bin ich oft total neidisch. Am liebsten würde ich sofort meine Koffer packen und mitfahren.

Wie bekommen Sie das Bedürfnis, wegzuwollen, in den Griff?
Natürlich dadurch, selbst zu verreisen. Aber Neid hört sich viel schlimmer an als ich das wirklich empfinde. Ich habe einen der schönsten Jobs. Ein Reisebüro ist der Ausgangspunkt für einen Aufbruch in die Sonne oder ins Abenteuer, ins Unbekannte, in Auszeit und Erholung. Kann es eine sympathischere Arbeit geben, als Menschen Angebote für die schönsten Lebensabschnitte zu unterbreiten?

Wahrscheinlich nicht. Das ist bestimmt genauso schön, wie anderen durchs Schreiben schöne Gedanken zu schenken. Wo sind dann die Schattenseiten?
Ganz einfach: Ich habe nicht nur die unzähligen schönen Bilder von traumhaft schönen Orten dieser Welt in Katalogen und auf dem Bildschirm, ich weiß auch genau, wie es dort wirklich aussieht. Und dann komme ich ins Schwärmen und habe großes Fernweh. Das tut immer wieder weh.

Fragen: Thomas Wischnewski