Sexualkunde ist mehr als „Gefahrenabwehr“

Freitag_neuGehört Sexualkunde in den Schulunterricht? Das ist keine Frage. Heftige Kontroversen entbrennen allerdings um das Was und Wie. Medien berichteten über Proteste gegen einen neuen Bildungsplan in Baden-Württemberg. Ein Thema auch hierzulande? Ja, wir brauchen andere, bessere Lehrpläne. Sexualerziehung wird häufig auch heute noch reduziert auf eine „Gefahrenabwehrpädagogik“, auf Verhütung von AIDS, Verhütung von Schwangerschaft, Verhütung von Missbrauch. Wichtige Themen, aber der einseitige Blick vermittelt, Sexualität sei etwas Problematisches. Sexualität ist sinnlich, spannend, lebensbejahend.

Es geht um Liebe und Beziehung, die eigene Identität, persönliche Lebensentwürfe, Glück. Eine gute Sexualerziehung orientiert sich an den Bedarfen der Jugendlichen, die neugierig sind und vielfältige Fragen haben, aber drängt sich nicht auf. Sexuelle Bildung bedeutet nicht, intime Details im Unterricht ausbreiten zu müssen. Einer der Kritikpunkte in Baden-Württemberg richtete sich gegen derartige Lehrmethoden. Sex ist etwas sehr Privates, gerade auch für Heranwachsende. Sie haben ein Anrecht, Sexualität ganz privat zu entdecken und auszuprobieren. Sie haben auch das Anrecht, nicht jegliche Spielart kennenlernen zu müssen. Zu einer gesunden Sexualentwicklung gehört die Achtung von Privatsphäre und von Schamgrenzen. Über sexuelle Praktiken im Unterricht zu sprechen, im Kreise der halbwüchsigen MitschülerInnen, kann leicht in beschämende Situationen führen. Um sexuelle Vielfalt, die Verschiedenheit von Menschen auch in ihrer sexuellen Orientierung anzuerkennen, braucht es keine speziellen Sexthemen im Unterricht, sondern Erziehung zu einer respektvollen Haltung. Und dies braucht vor allem gute Vorbilder. Für einen achtsamen Umgang miteinander.
Dr. Torsten Freitag, Sexualtherapie und Paarberatung im Allee-Center