Hilf mir, es selbst zu tun!

Klassenzimmer 1Die Freie Schule wendet das Konzept der Reformpädagogin Maria Montessori an. Darin ist jedes Kind „der Baumeister seiner Selbst“. Victoria Pukall über den alternativen Schulalltag.

von Viola Leonarczyk

Hilf mir, es selbst zu tun! – Das ist der Grundgedanke der Montessoripädagogik. Es ist ein von der italienischen Ärztin und Reformpädagogin Maria Montessori Anfang des 20. Jahrhunderts entwickeltes Bildungskonzept. Nach ihren Vorstellungen wird das Kind als „Baumeister seiner Selbst“ gefördert. Das Prinzip soll die Lehrenden dazu anhalten, durch Beobachtung einzuschätzen, welche geeigneten didaktischen Techniken nötig sind, um die Fähigkeiten jedes Einzelnen optimal zu fördern.
Diesem Bildungskonzept verbunden fühlt sich die Freie Schule Magdeburg in der Harsdorfer Straße 33. Es ist eine Ganztagsgrundschule, die 1997 auf Initiative von Eltern gegründet wurde. Getragen werden die Einrichtung und das dazugehörige Montessori-Kinderhaus unter dem Dach des Montessori-Zentrums vom Verein „Initiative zur Förderung aktiver und freier Pädagogik e.V.“
Victoria Pukall ist verantwortlich für die Geschäftsführung des Montessori-Zentrums und gibt Auskunft über den gelebten Alltag in der Grundschule. „Bei uns lernen 98 Kinder in altersgemischten Gruppen“, erklärt sie. Gemeinsam lernen sowohl die Erst- und Zweitklässler als auch die Dritt- und Viertklässler. „So erreichen wir den Effekt, dass alle sich untereinander helfen“, erklärt die Betriebswirtschaftlerin. Die Vermittlung von sozialer Kompetenz ist ein wesentlicher Bestandteil der Montessoripädagogik.
Die Kinder können wahlweise in Teams oder allein arbeiten. Ihnen stehen, sofern drinnen unterrichtet wird, zwei farbenfrohe Räume zur Verfügung. Am Anfang der Woche wird ein Lernziel definiert, das in einem Wochenplan von jedem Kind separat festgehalten wird. Auf dieses Ziel wird mit Hilfe des Einsatzes verschiedener Methoden hin gearbeitet. Drei Pädagogen stehen den Schülerinnen und Schülern beratend zur Seite, um mögliche Wege aufzuzeigen, wie sie das Lernziel selbst erreichen können. Ein zusätzlicher „Reiselehrer“ kümmert sich klassenübergreifend um die integrativen Kinder. Insgesamt besuchen derzeit sechs Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf die Freie Schule.
Die übliche Unterrichtsdauer von 45 Minuten findet hier keine Anwendung. Stattdessen ist der Tag in drei Arbeitsphasen unterteilt, die 14.30 Uhr enden. Zum Bildungsangebot gehört auch das sogenannte „goldene Zahlenmaterial“. Es soll helfen, Mathematik zu visualisieren und den Lernstoff durch Anfassen begreifbar zu machen. Der Bereich kosmische Erziehung beinhaltet praktische Elemente und die Ernährungspyramide soll das bewusste und gesunde Essen fördern. In den Unterricht eingebunden sind auch Epochen für Musik, Kunst, Theater oder Philosophie. An den Lernzielen arbeiten Lehrer, Erzieher und engagierte Eltern gleichermaßen. „Das Montessorikonzept verzichtet auf eine Benotung“, erklärt Victoria Pukall. „Die Grundschüler erhalten nach jedem Schuljahr einen Kinderbrief, dem sie ihren Lernfortschritt selbst entnehmen können.“
In den Nachmittagsstunden ergänzen Kurse, die teilweise von den Müttern oder Vätern gegeben werden, das Angebot. Die Kinder können unter anderem Italienisch lernen, die Natur erforschen, die Klecksbude besuche, Nähen, Handwerken oder Entspannung üben. Wer einfach nur spielen möchte, der kann sich im großen Freigelände austoben.
„Wenn unsere Kinder nach der vierten Klasse in anderen Schulen ankommen, werden sie oft als selbstbewusst und eigenverantwortlich wahrgenommen. Das erfüllt uns mit Stolz“, erklärt die Geschäftsführerin abschließend.
Mehr über das Montessori-Zentrum erfahren Interessierte auch unter

www.montessori-zentrum-magdeburg.de

Ausschnitt aus einem Kinderbrief:
Liebe/r…,

wenn du morgens frohgelaunt kommst, weißt du immer genau, was du nacheinander erledigen willst und lässt dich beim Arbeiten nicht aus der Ruhe bringen. Bei Unklarheiten fragst du gezielt nach und kannst anschließend besser arbeiten. Toll, dass du jetzt fast immer an die anschließende Kontrolle deiner Aufgaben denkst, dadurch findest du deine Fehler gleich selbst und kannst sie berichtigen. Aufgrund deiner zielstrebigen und selbstständigen Arbeitsweise konntest du dich zum Ende des Schuljahres schon mit weiterführenden Themen, z.B. mit den Brüchen oder dem Konstruieren verschiedenster Flächen, beschäftigen. Mit deinem umfangreichen Wissen kannst du in der 5. Klasse  sicher an den Start gehen.
Mit deinen Freunden verstehst du dich prima. Durch deine ruhige und ausgeglichene Art bist du bei deinen Mitschülern beliebt. Wenn wir dich nicht auf dem Fußballfeld treffen, stehst du mit der Kelle in der Hand hinter der Tischtennisplatte und schaffst es bei den Spielen oft bis ins Finale. Deine Begeisterung und Freude für die sportlichen Aktivitäten können wir dabei richtig spüren.
In unseren Kreisgesprächen hörst du aufmerksam zu und beteiligst dich interessiert. Manchmal hast du jedoch vergessen, deinen Lautstärkeknopf aufzudrehen. Trau dich, du weißt ganz viel.
Für die Plakatgestaltung zu deinen Wunschthemen hast du dir in diesem Jahr etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Dein erster Vortrag begann mit einem leeren Plakat und wurde nach und nach von dir mit farbigen Geckos, nachdem du wichtige Informationen zu diesen Tieren erzählt hast, gefüllt…