Für die Ehe sind Hopfen und Malz
nicht verloren
von Tina Heinz
Noch heute hält sie ihm vor, dass er ihr damals nicht hinterhergepfiffen hat. Marlis und Olaf Göhre schauen einander an und beginnen zu lachen. In hochhackigen Schuhen sei sie damals über das Gelände der Sudenburger Brauerei gegangen. „Sie wissen ja, wie das damals war…
Diese Mode!“, sagt Marlis und schüttelt amüsiert den Kopf. Damals, das war 1986, als das Sudenburger Brauhaus im Langen Weg als „Werk III“ zum VEB Vereinigte Brauereien Magdeburg gehörte. Natürlich habe er Sympathien für sie gehegt. „Aber so offensichtlich wollte ich das nicht zeigen und ich wollte es ihr auch nicht so leicht machen“, entgegnet Olaf noch immer lachend.
Wie sich andere Menschen heutzutage beim Feiern oder auf einer Dating-Plattform im Internet kennenlernen, so sind sich Marlis und Olaf in eben diesem Jahr bei der Arbeit zum ersten Mal begegnet. Inzwischen sind die beiden seit mehr als 20 Jahren verheiratet, stolze Eltern und Großeltern. „Es war Liebe auf den ersten Blick“, sagt Olaf Göhre. Er habe von Beginn an gewusst, dass sie die Richtige sei. Nur hinterhergepfiffen habe er ihr eben nicht. Stattdessen brachte er ihr Kaffee in den Flaschenkeller. „Guten Westkaffee, den mir mein Kumpel geschenkt hatte“, erinnert sich Olaf an die erste gemeinsame Zeit. Der 57-Jährige war bei der Brauerei als Schlosser tätig, hatte dort eine Ausbildung zum Meister abgeschlossen und war dann als Technischer Leiter für die Überwachung und die Generalüberholung der Maschinen zuständig. Marlis wurde 1986 vom Dienstleistungskombinat Magdeburg in die Brauerei delegiert und war in der Produktion mit Waschen, Abfüllen und Etikettieren beschäftigt.
„Wir haben eine Frau für dich“, hätten Olafs Kollegen gewitzelt, als feststand, dass die Brauhaus-Truppe Verstärkung erhält. „Und mich haben sie vor ihm gewarnt“, erzählt Marlis belustigt. Hin und wieder ziehen sich die beiden gegenseitig mit derlei Erinnerungen auf. „Aber genützt hat es nichts. Schließlich bin ich dann doch mit ihm ausgegangen.“ Eine schöne Zeit sei das gewesen. Unbeschwert. „Wir hatten Arbeit, eine Wohnung gleich in der Nähe der Brauerei und in Sudenburg gab es alles, was man zum Leben brauchte“, schildert Olaf. „Es ging uns also gut.“
1988 kam dann ihr Sohn zur Welt, 1989 die Tochter. Geheiratet haben sie allerdings erst nach der Wende. „Wir haben das lange geplant und uns 1992 das Ja-Wort gegeben“, sagt die 49-Jährige und stupst ihren Ehemann dabei mit dem Ellenbogen an. 1992 – ein Jahr, das für die beiden ereignisreich war. Auf der Positiv-Seite steht natürlich die Hochzeit. Auf der Negativ-Seite das vorläufige Ende des Sudenburger Bieres. Die Brauerei wurde stillgelegt, Fabrikanlagen abgerissen.
„Von heute auf morgen war diese schöne Zeit vorbei“, sagt Olaf und Wehmut schwingt in seiner Stimme mit. „Wäre die Brauerei nicht dichtgemacht worden, würden wir noch heute dort arbeiten“, ist sich der 57-Jährige sicher. Das Ehepaar ist sich einig: Die Arbeit habe viel Spaß gemacht und auch das Umfeld habe gestimmt. „Wir waren eine tolle Truppe… großartige Kollegen. Jeder hat sich mit jedem verstanden“, schwärmt Olaf. Selbst ein Arbeitsunfall, dessen Folgen ihn heute noch beeinträchtigen, kann dieses positive Bild nicht trüben. Drei Tage nachdem er seine Frau kennengelernt hatte, verletzte er sich am Bein. Auch Jahre später, als er in den 90ern auf Montage war, plagte den Magdeburger die Verletzung. „Das war ein einschneidendes Erlebnis“, sagt Marlis und versucht dieser Tatsache mit Humor zu begegnen: „Das ist nur passiert, weil er durch mich abgelenkt wurde.“
Trotz dieses Ereignisses schwelgen die beiden gern in Erinnerung und können sich nicht von der Vergangenheit lösen. Vielleicht, weil sie seit 2007 auf dem ehemaligen Gelände der Brauerei leben. „Als eine Wohnung frei wurde, wollte ich unbedingt dort einziehen“, sagt Olaf. „Zwar ist nicht mehr viel übrig von der Brauerei, aber wenn man sich auskennt, weiß man noch ganz genau, was wo war.“ Und dass das Ehepaar Göhre inzwischen auf Werbeplakaten des Sudenburger Bieres zu sehen ist, dürfte auch dazu beitragen, dass die Erinnerungen an die schöne Zeit immer wieder von neuem aufleben.