Zuckerbergs Irrglaube an eine Beziehungsformel

bigdataÜber die gefährlich unmöglichen Visionen des Facebook-Gründers

Spiegel-online informierte Anfang Juli darüber, dass Facebook-Gründer Mark Zuckerberg Fragen verschiedener Prominenter wie Arnold Schwarzenegger oder Stephen Hawkins zu seinen Plänen mit Facebook beantwortete.

Er glaube, so hieß es u.a., dass es ein grundlegendes mathematisches Gesetz für menschliche Beziehungen gäbe, das er mit Hilfe von Big Data und der dort verwendeten und weiter zu entwickelnden Künstlichen Intelligenz (KI) zu finden gedenke.
Nun, über Glaubensfragen lässt sich trefflich streiten, aber es ist dazu vielleicht nützlich, sich ein wenig intensiver mit Big Data und der KI zu beschäftigen. Big Data ist ein moderner Begriff der Informatik, der sowohl die Sammlung unglaublich großer Datenmengen als auch ihre Auswertung für sehr unterschiedliche Zwecke beinhaltet. Für die Auswertung werden mathematische Verfahren in Form sogenannter Algorithmen benötigt, die mit ihren ständig wachsenden Möglichkeiten oft schon an menschliche Fähigkeiten der Analyse, Bewertung und Vorausschau heranreichen. Man spricht deshalb von Künstlicher Intelligenz, kurz KI, um sowohl die Leistungsfähigkeit als auch die Tendenz dieser Verfahren zu betonen. Versuche, KI zu entwickeln, gibt es schon, solange es programmierbare Computer gibt.
Der Durchbruch ist leider, aber vielleicht auch Gott sei Dank, bis heute ausgeblieben. Das liegt vor allem daran, dass bis heute niemand weiß, wie Intelligenz in unserem neuronalen Netz, also im Gehirn, entsteht. Mit der ständigen Steigerung lokaler, aber auch mit dem Parallelschalten dezentral verfügbarer Rechenleistung hat es offensichtlich nichts zu tun. Warten wir also noch ein wenig auf die möglicherweise in der Zukunft liegende Entdeckung der Neurowissenschaftler, die die Physik von Kreativität, Gefühlen und weiterer nicht deterministischer kognitiver Fähigkeiten und damit auch Intelligenz erklären wird. Aber bleiben wir noch etwas bei Big Data. Die Algorithmen bei Big Data erzeugen Modelle, sogenannte datengetriebene Modelle, z.B. künstliche Neuronale Netze (KNN), mit denen sich Analyse- und Prognosefragen beantworten lassen. Jeder von uns kennt Modelle in den Naturwissenschaften, die, wenn sie sich bewährt haben und stabil sind, auch als Naturgesetze bezeichnet werden. Der Apfel fällt nach dem Fallgesetz vom Baum herunter, das Galileo Galilei im 16. Jahrhundert über Modellannahmen und vielfältige Experimente entwickeln und beweisen konnte. Sind die Experimente falsch konzipiert, entsprechen die Ergebnisse nicht der Realität und Modellkorrekturen werden notwendig.
Galilei stand aber die Natur zur Verfügung, die nie lügt. Ganz anders ist es in sogenannten Sozialen Netzen, die Mark Zuckerberg betrachtet. Menschen neigen dazu, zu übertreiben, nicht unbedingt die Wahrheit zu sagen, zu intrigieren, sich in bestimmten Situationen unvorhersehbar zu verhalten usw. Die in den Netzen wie Facebook, Twitter, Ingram, YouTube usw. anfallenden Texte, Fotos  oder Videos enthalten damit auch einen beträchtlichen Anteil solcher fehlerhaften Daten, die Zuckerberg auswerten will. Seine Modelle werden also nicht unbedingt wahr und auf keinen Fall verallgemeinerungsfähig sein.
Sicher wird die Verhaltensprognose für das einzelne Individuum immer schärfer und besser werden und eben auch die persönlichen Eigenarten und Beeinflussungsmöglichkeiten immer treffsicherer beurteilen können, von einem grundlegenden mathematischen Gesetz, wie er es oben zu entdecken erhofft, wird man aber wohl kaum sprechen können. Zuckerberg hofft also vergebens. Sein Ansinnen bleibt aber gefährlich, weil es dem Einzelnen die Privatsphäre nehmen wird. Das will dann vielleicht doch nicht jeder.
Prof. Dr. Viktor Otte, Mitglied des Kollegiums „emeritio“