Die Kriminalitätsstatistik zeigt das Straftatengeschehen in der Stadt, sagt aber wenig über das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger aus.
Von Thomas Wischnewski
Wie sicher lebt man in Magdeburg gemessen an der erfassten Kriminalität? Laut Frank Bendzka, Leiter des Polizeireviers Magdeburg (Interview S. 13), sei die Landeshauptstadt eine ganze normale Großstadt. Es passieren hier keine außergewöhnlichen Delikte, die anderenorts nicht auch geschehen würden. Ein detaillierter Vergleich mit anderen deutschen Städten zeigt die Elbestadt in der Kriminalitäts-Häufigkeitsziffer (Straftaten pro 100.000 Einwohner) an 9. Stelle. Mehr Straftaten geschehen anhand dieser Kennzahl nur in noch größeren Metropolen. Frankfurt am Main, Köln und Berlin sind die Spitzenreiter (s. Grafik S. 11). Städte, die sich mit der Magdeburger Einwohnerzahl vergleichen lassen – fast alle liegen deutlich unter den hier anfallenden Delikten.
Die Zahlen sind aber noch lange kein Ausdruck für das Sicherheitsgefühl der Menschen in einer Kommune. Sicherheit ist ein zutiefst subjektiv geprägtes Bild, das durch viele Faktoren gespeist wird. Die Nachrichten – also die öffentliche Wahrnehmung – über Verbrechen spielen dabei eine große Rolle. Klar, dass in Millionenstädte viel häufiger über außergewöhnliche Taten berichtet wird. So ist beispielsweise die Wahrscheinlichkeit, in der Elbestadt Opfer eines Tötungsdeliktes zu werden, verschwindend gering. 2014 wurden 8 Fälle erfasst. Ein Jahr zuvor waren es noch 21. Die Aufklärungsquote betrug 100 Prozent. Kein Fall blieb ergo ohne ermittelten Täter. Es sind vor allem die Diebstahldelikte, die in Magdeburg die Statistik nach oben treiben. Mit 14.931 bekannt gewordenen Straftaten umfasst der Bereich fast die Hälfte der Gesamtkriminalität (2014: 30.802 Fälle). Es ist die Stadt der langen Finger. Insbesondere der Fahrradklau schlägt hier besonders zu Buche. Ein Viertel aller Diebstähle entfallen auf entwendete Drahtesel (3.783 Fälle). Die hohe Anzahl drückt auch die Aufklärungsquote. Schließlich konnte im vergangenen Jahr nur jeder 5. Fahrraddiebstahl einem Täter zugeordnet werden.
Magdeburg ist in Sachsen-Anhalt nicht nur Hauptstadt und Regierungssitz, sondern nimmt auch die Spitzenposition im Kriminalitätsgeschehen ein. So lag Halle mit knapp 12.000 Delikten gemessen auf 100.000 Einwohner nur auf dem 3. Platz im Landkreisvergleich. Aber sind die nüchternen Zahlen – so verheerend sie auch erscheinen mögen – wirklich geeignet, um die Sicherheit an der Elbe zu beschreiben? Mit Sicherheit nicht. Die Zahlen sind eben kein Ausdruck für das Sicherheitsgefühl für die Menschen in einer Kommune.
Schaut man 20 Jahre zurück stößt man 1995 in Magdeburg auf über 52.000 erfasste Straftaten. Die absoluten Fallzahlen haben sich über diesen Zeitraum drastisch reduziert. Auch die Jugendkriminalität ist extrem zurückgegangen. Lag deren Anteil vor 20 Jahren noch bei 33 Prozent, sind die Straftäter unter 21 Jahre heute nur noch in 18,8 Prozent aller Fälle vertreten.
Die häufig von älteren Menschen geäußerte Meinung, das Leben würde immer unsicherer werden oder man könne sich kaum noch auf die Straße trauen, spiegelt sich in der örtlichen Kriminalitätsstatistik kaum wider. Der sehr oft befürchtete Handtaschenraub bei älteren Frauen geschah in Magdeburg 2014 insgesamt sechs Mal. Gestiegen sind im Vergleich zu den Vorjahreserhebungen dagegen die Sexualstraftaten und die Rauschgiftdelikte. 37 Vergewaltigungen wurden von der Magdeburger Polizei 2014 erfasst, 66 Mal sexueller Missbrauch von Kindern und 42 Verstöße für den Besitz und die Verbreitung pornografischer Erzeugnisse registriert. Allerdings liegen hier die Aufklärungsquoten über alle Deliktgruppen fast alle bei mehr als 90 Prozent.
Magdeburgs Straftatenregister hat sich auf einem durchschnittlich hohen Niveau eingepegelt. Die Aufklärung über alle Bereiche liegt bei 54,4 Prozent. Mit aktuell 440 Beamten im Polizeirevier Magdeburg muss der Anfall der Straftaten bewältigt werden. Statistisch geschehen täglich 84 Verbrechen entlang der Elbe. Man muss kein besonderer Pfiffikus sein, um zu erkennen, dass dies mit 440 Schutzpolizisten und 150 Kriminalbeamten nicht bis zum letzten Spitzbuben beherrscht werden kann. Trotzdem ist die Polizeidichte in Sachsen-Anhalts gegenüber westdeutschen Bundesländern relativ hoch. Im Land kommen auf je 1.000 Einwohner 3,4 Polizisten. Übrigens sind es in Bayern (2,4) und Baden-Württemberg (3,0) in der Dichtemessung weniger und dennoch sind die Häufigkeitszahlen der Länder in der Kriminalität viel besser als die in Sachsen-Anhalt. Eine höhere Dichte geht anscheinend nicht mit weniger Verbrechenszahlen einher. Beachten muss man dabei, dass die absoluten Zahlen der Bediensteten in den Südländern wesentlich höher liegen.
Die Sichtbarkeit von Polizei macht sich im Straftatengeschehen allerdings deutlich bemerkbar. So geschahen bei den zahlreichen Demonstrationszügen von Magida und Anti-Magida aufgrund der hohen Polizeipräsenz kaum Straftaten. Die pure Anwesenheit von Uniformen wirkt abschreckend auf Kriminelle. Registrierte Kriminalität in den Städten ab 200.000 EinwoEs ist zu vermuten, dass das Sicherheitsgefühl der Magdeburger in den nächsten Jahrzehnten weiter abnimmt. Aufgrund der demografischen Veränderung der Altersstruktur der Einwohner wächst der Anteil älterer Menschen rapide. Damit könnten auch Ängste und Unsicherheitsgefühle zunehmen. Abnehmende physische Fähigkeiten und sinkende Sicherheit bedingen sich. Der Innenpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Rüdiger Erben, vermutet infolge der Demografie auch einen Anstieg bei den älteren Straftätern sowie eine Zunahme von Ladendiebstählen. Die aktuelle Fallzahl von 2014 betrug 2.764 Fälle. Innerhalb solcher Kriminalitätserscheinungen muss vermutet werden, dass Täter häufiger alte Menschen sein werden, die möglicherweise nur eine karge Rente beziehen.
Eine hohe Aufmerksamkeit in der Statistik wird regelmäßig dem Bereich links- und rechtsextremer Straftaten gewidmet. Und die Polizei muss sich hier häufig vorwerfen lassen, dass sie entweder auf dem einen oder anderen Auge blind sei. Die eigentliche Politisierung der Sicherheitsbeamten geschieht aber eher durch die Kritiker als jene, die sich nun mal wegen des Rechts mit Kriminalität beschäftigen müssen. Grundsätzlich muss nämlich jeder Verstoß – egal, welcher Richtung ein Täter oder eine Täterin angehört – gleichbehandelt werden. Die Zuordnung zu einer Gruppierung sei für die Polizei von nachrangigem Interesse, beteuert auch Kriminaldirektor Frank Bendzka. Insgesamt ist der Anteil der politisch motivierten Taten relativ konstant.
Die Befürchtungen, immer öfter Opfer eines Verbrechens durch Internet- oder Computerkriminalität zu werden, ist anhand der ausgewiesenen Zahlen nicht nachweisbar. Die heutigen Möglichkeiten, einen Täter zu ermitteln, ist aufgrund der nachzuvollziehenden Spuren im Internet relativ leicht. Wirksame Verschleierungsmethoden beherrschen nur ausgesprochene Hacker-Experten.
Magdeburg muss sich trotz der hohen Häufigkeitsziffer im Sicherheitsbereich nicht schlechter reden als andere deutsche Städte. Wenn man hier Vergleiche anstellen wollte, dann muss man auch stets die tieferen Wurzeln von Kriminalität betrachten. Eine wesentliche Triebkraft für antisoziales Verhalten bleiben die existenziellen Lebensbedingungen und gravierende Unterschiede in Einkommenssituationen. Da Sachsen-Anhalts Hauptstadt nach wie vor viele Menschen beherbergt, die mit sehr geringen Einkommen auskommen müssen, sprudelt die Quelle für Diebstähle oder andere Eigentumsdelikte fleißig weiter.