Drei Uhr nachts – die Wähl-0190…-Ruf-mich an-Stimmen von vermeintlich liebeshungrigen, äußerst leicht bekleideten und auch sonst offensichtlich, zumindest fernkommunikativ leicht zu habenden Damen wechselten sich mit ihren räkelnden Leibern bereits im 30-Sekunden-Takt ab und „Er Te El Zwo“ hatte dazwischen für den gleich beginnenden „Pflock Pflaster“ – also ein, sich dauerhaft ins Zuschauerhirn festsetzendes, cineastisches Werk – meist mit Action, jedoch stets mit Erotik – also mit überall und dauerhaft knallharten Jungs und dazu passenden Damen geworben.
Genau dieses filmische Kunstwerk mit der namentlichen Bezeichnung „The wild Gina behind the door“ wollte nun Alois Putznick aus dem dritten Stock genießen. Also nahm er die Fernbedienung, drehte in Erwartung der Pegelerhöhung die Lautstärke seines „Raduga85“ Farbfernsehers ein wenig herunter und es ward ruhig im Wohnzimmer – Denkste…
Hämmernde Bässe, so etwa „batta batta batta…“ dröhnten plötzlich an seine Ohren und ließen ihn erschaudern – denn außer den Liedern der „Roten Gitarren“ und allenfalls noch vom „Chor der Kosmonauten“ mochte er keinerlei musikalische Darbietungen. Die wummernde Musik brachte nicht nur ihn in Wallung, sondern auch seine Anbauwand „Romania 1975“ zum vibrieren, sowie in kausaler Folge seine dort hinter Glas positionierte Sammlung an böhmischen Vasen zum tanzen…
Die Quelle des ganzen Übels war schnell ausgemacht – direkt über Alois Wohnung im vierten Stock wurde offenkundig eine „Einweihungs-Fete“ gemacht – die „Jugend“ nahm eben keine Rücksicht auf den lärmgebeutelten Alois… Ihm schwoll der Kamm, seine Filmnacht war passé und nur mittels Ohropax und mehreren Kissen auf dem Kopf schlief er – leider ohne die Erlebnisse mit der wilden Gina – ein.
Montags darauf beim Vermieter vorstellig, ließ er sich über die „böse Jugend von heute“ aus und forderte den sofortigen Rausschmiss der über ihm wohnenden, disziplinlosen Störenfriede, drohte andernfalls mit seinem sofortigen Auszug. Hätte er damit Recht?
Hier der Ansatz einer Lösung: Es kommt halt immer darauf an:
► Übermäßiger Partylärm ist vertragswidrig und kann in Extremfällen nach einer erfolglosen Abmahnung zur fristlosen Kündigung des Mieters führen. AG Köln, WuM 87, 21
Handelte es sich aber wirklich um einen Extremfall? Wie laut war es denn tatsächlich? War es übermäßig laut? Wie lange dauerte die „Fete“? Welche Geräusche störten konkret und welche Beeinträchtigungen gingen damit einher? Wurden die Party-Mieter schon einmal abgemahnt? Fragen über Fragen.
Und diese Fragen muss im Streitfall das Gericht beantworten. Wenn Alois zum Beispiel fristlos kündigt, kann sich der Vermieter auf die Unwirksamkeit der Kündigung berufen, weil ja vielleicht kein „Extremfall“ vorlag. Und dann müsste Alois zahlen – auch für die Zeit, in der er die Wohnung dann nicht mehr bewohnt – bis Ablauf der „normalen“ Kündigungsfrist. Würde er „gewinnen“, dann nicht. Aber er muss ja alles beweisen. Dann sollte er sich schon mal einen Anwalt nehmen, der ihm das vorher deutlich macht. Doch einen, der ihm auch erklärt, dass das menschliche Nebeneinander halt gelegentlich mit Toleranz und Verständnis einhergehen muss und die eine oder andere Feier in den vier Wänden dazugehört.
Lärm sorgt oft für Streit zwischen Nachbarn. Hier einige Urteile, die für den Einen oder Anderen vielleicht interessant sind:
► Die Bewohner eines Mehrfamilienhauses müssen die üblichen Wohngeräusche hinnehmen, aber alle müssen Rücksicht nehmen. AG Hamburg, AZ: 46 C 139/03
► Eine Pendeluhr aufzuhängen, gehört zum vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung. Ist das halbstündige Schlagen in der Nachbarwohnung wahrnehmbar, muss das geduldet werden. AG Spandau, AZ: 8 C 13/03
► Mieter dürfen in ihrer Wohnung so oft duschen und baden, wie sie wollen, auch nach 22 Uhr. Entsprechende Verbote in Mietvertrag oder Hausordnung, sind unzulässig – LG Köln, AZ: 1 S 304/96. Das OLG Düsseldorf, AZ: 5 Ss 411/90, begrenzt nächtliches Duschen auf max. 30 Minuten.
► Lautes Streiten, überlaute Musik und zu lautes Gestöhne beim Sexualverkehr sind eine unzumutbare Belästigung der Nachbarn. Amtsgericht Warendorf AZ: 5 C 414/97
► Männer dürfen beim Urinieren stehen, auch wenn Nachbarn das Plätschern mitbekommen. Dies könne nur mit Gelassenheit ertragen werden. Amtsgericht Wuppertal, AZ: 34 C 262/96
► Wenn Kinder in der Wohnung weinen, schreien, beim Spielen poltern oder hopsen, müssen die Mitmieter diese Störungen in der Regel hinnehmen. AG Frankfurt AZ: 33 C 3943/04-13; AG Berlin-Wedding, AZ: 6a C 228/01
► Das Fahren mit Roller-Skates in der Wohnung muss von den Mitmietern aber nicht geduldet werden. Amtsgericht Celle, AZ: 11 C 1768/01
Was können wir Alois mit auf dem Weg geben?
Wenn Menschen miteinander leben,
gibt´s manchmal Krach – so ist das eben.
Das Leben mit ‘nem Nachbar,
ist mit Gelassenheit doch machbar.