Auf dem Abstellgleis: Mensch gegen Küchenmaschine

IMG_6934Sie hüpfte vor mir auf und ab. Freudestrahlend. Wie ein kleines Kind, das es nicht erwarten kann, endlich die Weihnachtgeschenke zu öffnen. „Sie wurde verschickt. Sie wurde verschickt!“ Meine Freundin war euphorisch. Jubelte. Lachte. Doch ich blickte nur verwirrt drein, während sie weiter händeklatschend auf und ab sprang. „Wir haben eine Versandbestätigung bekommen! In ein zwei, drei Tagen ist sie hier!“
Inzwischen hatte es auch bei mir „klick“ gemacht. Doch trotz der Erleuchtung wollte sich meine Miene nicht aufhellen.

Die Tatsache, dass sich meine Freundin über den Versand einer Küchenmaschine mehr freute als über mich, wenn wir uns ein paar Tage nicht gesehen hatten, verunsicherte mich. Mein Kopfkino zeigte mir Bilder – wie sie tagelang die Küche nicht mehr verlassen und unzählige Menüs zubereiten würde. Mehl auf dem Fußboden, Salz-, Zucker- und Gewürzpackungen auf der Anrichte, Reste diverser Obst- und Gemüsesorten auf dem Tisch. Die Fliesen mit Flecken eines explodierten grünen Smoothies übersät. Und sie mittendrin. Manisch grinsend.
Ok. Ich muss zugeben, dass dieses Gerät schon gewisse Vorzüge hat. Es rührt, mixt, knetet, zerkleinert, wiegt, erwärmt, kocht und dünstet. Alles. Innerhalb kürzester Zeit. In nur einem Gefäß. Bei mir dauert das ewig. Schon allein für das Schneiden der Zwiebel brauche ich viel länger, als dieses unheimliche Multifunktionsgerät zum Zubereiten einer gesamten Mahlzeit benötigt. Und wenn ich mit der Zwiebel fertig bin, sind meine Schultern und mein Nacken verspannt und ich bekomme schlechte Laune. Dann sehe ich mich in der Küche um – Töpfe, Pfannen, Brett, Messer und andere Utensilien – alles schmutzig. Alles bereit für den Abwasch. Und meine Laune sinkt auf den Tiefpunkt. Nicht so bei der Küchenmaschine. Sie macht nicht so viel Dreck. Und der Oberkörper bleibt unverkrampft … ganz locker. Vielleicht also doch eine gute Investition?
Als das Gerät schließlich bei uns eintrifft und zum ersten Mal getestet wird, bin ich bei der Arbeit. Wieder spielt sich das Kopfkino bei mir ab, während ich versuche, mich auf meine Aufgabe im Büro zu konzentrieren. Ich sehe meine Freundin in der Küche stehen. Wie sie der Maschine zuzwinkert, sie nett anlächelt, sie leidenschaftlich berührt und ihr zärtliche Worte zuraunt. Verdammtes, hinterhältiges Gerät!
Brot will sie als erstes backen. Die Dinkelkörner werden von der Maschine mit dem Schlagmesser gemahlen. Die anderen Zutaten muss man nur hinzugeben und verrühren bzw. kneten lassen. Ruck-zuck ist der Teig fertig und kann in den Ofen geschoben werden. Ganz einfach. Als ich nach Hause komme, ist es ganz still. Kein Geräusch dringt aus der Küche, das Licht ist aus, alles ist aufgeräumt. Meine Freundin jedoch kauert in einer Ecke des Wohnzimmers. Ihr Gesicht traurig, die Augen von Tränen verquollen. „Das Brot ist nichts geworden“, schluchzt sie. Ein Grinsen kann ich mir noch verkneifen, hüpfe in Gedanken aber vor Freude auf und ab. Dann nehme ich sie in den Arm und tröste sie.  Maschine: Ich – 0 : 1. Ha!
Tina Heinz