Es herrscht Krieg der Meinungen, aber kein Streit der Argumente.
Glauben Sie manchmal, heute könne man kaum noch frei seine Meinung äußern? Jede öffentliche Äußerung will anscheinend von einem Schwarm konträrer Meinung ausgehebelt werden.
Dem parteilosen Magdeburger Stadtrat Marcel Guderjahn erging es kürzlich so, als er bei den Saunaöffnungen in der Elbeschwimmhalle einen zeitlichen Nachteil für männliche Besucher erkannte. Es sollte eher eine kleine Spitzfindigkeit sein, um das Gleichstellungsgesetz anzuwenden. Das wird gern bemüht, um vorrangig Ungerechtigkeiten gegenüber Frauen zu überwinden. Für den Vorstoß wurde der Stadtrat von vielen Seiten zurechtgewiesen. Als dümmliche Lappalie und unangemessene Äußerung wurde seine Meinung abgetan. Natürlich gibt es Wichtigeres. Aber der Vorgang ist Ausdruck über die Bewegung der Meinungsfreiheit. Blickt man auf die ausufernde Debatte zu den nach Europa strömenden Flüchtlingen wird der Blick auf die Positionierungen noch schwieriger. Einerseits schwellen Hass und Ablehnung an. Andererseits stemmt sich die Bewegung der Unterstützer und Befürworter dagegen. Jede erhobene Stimme soll von zahlreichen Gegenargumenten erdrückt werden. Die Zuspitzung mündet nun darin, dass Politiker schon die Facebookbetreiber anrufen, um ihrer Ansicht nach, als falsch und widerwärtig erkannte Äußerungen löschen zu lassen. Irgendwie scheint es von überallher nur noch um ein verbales Aufeinandereinhacken und Zerfleischen zu gehen, während sich das Gegengewicht irgendwie häufig in einer sich übergroßen, liebenden Gemeinde verstehen will, jedoch genauso gewaltsam andere Meinungen niederwälzt. Meinungsfreiheit ist durch die Möglichkeiten des Internets heute frei von Raum und Zeit, findet außerhalb moderierter Diskussionen statt und verhält sich deshalb wie ein nicht mehr zu bändigender Orkan. Vor diesem Phänomen verzweifeln Einzelne, fühlen sich meinungsklein und hilflos. Die Wahrnehmung, dass man das Eine oder das Andere nicht mehr sagen dürfte, beruht auf dieser immer häufiger anschwellenden Tendenz des gegenseitigen Niedermachens. Eigentlich ist es Meinungsfreiheit in höchster Form. Weil eben jeder mitreden kann und gleichsam gehört wird. Und doch werden unter diesen wachsenden Meinungswellen andere schier erdrückt. Alles ist nur noch die Frage, welche Ansicht sammelt die meisten Stimmen ein und bekommt die höchste Aufmerksamkeit. Die Achtung vor Meinungen anderer wird davon überschwemmt. Was wir unter diesem permanent polarisierenden Aufschreien erleben, ist eine Befreiung von der Meinungsfreiheit, weil wirklich wichtige Meinungen im Meinungskrieg untergehen.
Thomas Wischnewski