Haben Sie Ihrer oder Ihrem Liebsten am 12. Dezember auch eine „Poinsettia“ überreicht? So, wie das in den USA üblich ist … Nein, nein, keine Sorge. Das ist kein nerviger Brauch, der schon wieder aus den Staaten herüberschwappt. Schließlich gibt es auch bei uns genug Weihnachtssterne (Euphorbia pulcherrima) oder „Poinsettia“, wie die Pflanze in den USA heißt. Nur wurde hierzulande kein nationaler „Poinsettia Day“ eingeführt, der eben jährlich am 12. Dezember begangen wird, um an die Verdienste der Familie Ecke zu erinnern. 2002 verabschiedete das US-amerikanische Repräsentantenhaus eine solche Resolution.
In Magdeburg ist immerhin eine Straße in Brückfeld, östlich der GETEC-Arena, nach Paul Ecke benannt. Der Sohn des Magdeburger Lehrers Albert Ecke wurde 1895 im heutigen Stadtteil Cracau geboren und ist der Hauptverantwortliche dafür, dass die Euphorbia pulcherrima zum Weihnachtssymbol in den USA und später weltweit aufstieg. Denn eigentlich stammt die Pflanze aus dem mittel- und südamerikanischen Raum und kommt dort hauptsächlich in den tropischen Laubwäldern Mexikos, Brasiliens, Argentiniens, Venezuelas und der Karibischen Inseln vor. Nach Europa soll sie erstmals 1804 ihren Weg gefunden haben – dank Alexander von Humboldt, der die Pflanze nach einer Amerikareise importierte. Albert Ecke und sein Sohn Paul hingegen entdeckten das sie faszinierende Gewächs erst, nachdem die Familie Ecke (dazu gehörten noch Ehefrau Henrietta und die anderen Kinder Hans, Margarete und Frieda) Anfang des 20. Jahrhunderts in die Vereinigten Staaten ausgewandert war. Der erste diplomatische Gesandte der Vereinigten Staaten in Mexiko, US-Kriegsminister und Botaniker Joel Roberts Poinsett hatte die rotblättrige Pflanze in den 1820er Jahren in seine Heimat mitgebracht, wo sie sich schließlich an geeigneten Orten ausbreitete. Um Poinsett zu ehren, wurde der Weihnachtsstern in den USA nach ihm benannt und der nationale „Poinsettia Day“ auf seinen Todestag datiert.
Familie Ecke ließ sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts in einem heute zu Los Angeles gehörenden Ort namens Eagle Rock nieder und gründete dort 1911 eine Ranch, um Milch zu produzieren sowie Obst, Gemüse und weitere Nutzpflanzen anzubauen. Be- geistert von der Tatsache, dass sich die Blätter der in der Umgebung wild wachsenden Poinsettia zur Weihnachtszeit rot verfärben, kamen Albert und Paul auf die Idee, die Pflanze auf ihrer Farm anzubauen und die Zweige in der Vorweihnachtszeit zu verkaufen.
Als Albert Ecke 1919 verstarb, übernahm Sohn Paul seinen Betrieb mit dem Ziel, die Poinsettia als nordamerikanisches Weihnachtssymbol zu etablieren. Schnell war der passende Name gefunden, um den Verkauf zu fördern. Der „Christmas Star“ (also Weihnachtsstern) machte Schlagzeilen und bald war die Nachfrage so groß, dass Pauls Sohn – Paul Ecke II – den Vertrieb über Gärtnereien in Kalifornien aufbaute und eigene Geschäfte in Hollywood eröffnete. Aufgrund der Ausbreitung der Filmindustrie entschlossen sich die Eckes, 1923 ihre Ranch nach Encinitas (südlich von L.A., Richtung mexikanischer Grenze) zu verlegen. Im selben Jahr begannen sie auch die moderne Züchtung der Euphorbia pulcherrima. Ihre Brakteen (Hochblätter) waren länger haltbar und die Pflanze eignete sich somit besser als Schnitt- und Topfblume. Der wirkliche Durchbruch ließ noch bis in die 1950er Jahre auf sich warten, als unter Beteiligung weiterer deutscher Botaniker Weihnachtssterne gezüchtet werden konnten, die sich auch für die heutige Zimmerkultur eignen.
Die Paul Ecke Ranch – heute geleitet von Paul Ecke III – ist seit vielen Jahren Weltmarktführer und der weltgrößte Patentrechte-Inhaber auf Poinsettien-Sorten. Früher nur in Rot erhältlich, gibt es den „Christmas Star“ inzwischen auch in Weiß, Pink, Gelb, Lila, Bunt und vielen anderen Farben. Das US-amerikanische Gartenbauunternehmen mit Magdeburger Wurzeln vermarktet mehr als 60 Weihnachtsstern-Sorten. In den USA liegt der Anteil der aus lizenzierten Ecke-Stecklingen gezogenen Weihnachtssterne bei 70 Prozent, weltweit bei mehr als 50 Prozent. Vielleicht hat also Ihr Weihnachtsstern auch Magdeburger „Wurzeln“. Tina Heinz