So so, da haben wir also zu wenig Personal in den Gefängnissen im Land. Auf den ersten Blick möchte man natürlich frohlocken und Prima herausrufen. Leider beklagt das Justizministerium ja nicht die mangelnde Zahl an Insassen, sondern die wenigen Betreuer derselben. Unverhofft – möchte man meinen – würden in den nächsten drei Jahren 200 Vollzugsbeamte in den Ruhestand gehen. Aktuell kümmern sich 960 Mitarbeier in den Justizvollzugsanstalten des Landes um 1.726 Gefangene. Der Job eines Gefängniswärters ist ganz bestimmt kein Zuckerschlecken und das Milieu einer JVA verwechselt sicher niemand mit einem Hotelaufenthalt. Nun weiß jeder vernünftige Mensch, dass Zahlen wenig über das Leben aussagen, aber ein kleiner statistischer Hinweis sei erlaubt. Immerhin ist bei uns – rein statistisch – ein Vollzugsbeamter für zwei eingesperrte Spitzbuben zuständig. Mathematisch sieht man wenig Personalmangel, selbst wenn noch 200 Mitarbeiter weniger da wären. Doch der kluge Mensch weiß auch, dass sich die Komplexität menschlicher Lebensorganisation eben nicht mathematisch erklären lässt. Niemand spricht den Verantwortlichen im Justizministerium mangelnde Weitsicht ab, die heraufziehende Personalnot nicht gesehen zu haben. Offensichtlich mussten sich die Personalplaner der Arithmetik des ehemaligen Finanzministers Jens Bullerjahn unterwerfen, der die Landeslebensvisionen ganz wundervoll anhand schöner Rechenbeispiele orakeln konnte. Manche sind eben Genies, andere nicht. Dass der Aufschrei über eine Personallücke bei Vollzugsbeamten jedoch mehr Empörung verursacht als die Vorstellung, dass man in die Verhinderung von Kriminalität investieren sollte, lässt tief blicken. Nämlich so tief, dass wohl für kaum jemanden vorstellbar ist, dass Straftaten vermieden werden könnten. Der Aufschrei ist eher kalkulierte Weitsicht über die kommende Entwicklung. Radikalität, Brutalität, soziale Ungleichgewichte und viele andere Faktoren werden Kriminalität ansteigen lassen und das sinkende Sicherheitsgefühl ist mit Sicherheit eher der Grund, warum das Land bei den JVA aufholen muss und sie gar ausbauen wird. Und sollte dies eine völlig irrige Überlegung sein, dann ist nicht die Überlegung irre, sondern die Kurzsichtigkeit politischer und ministerialer Planungen. Im Internetzeitalter ist eine technische Permanentüberwachung von Menschen möglich und das geschieht auch. In einer JVA geht das offensichtlich nicht. Das kann nicht allein an der Anzahl der Bediensteten liegen. Wahrscheinlich schlummert das größte Problem zur Organisation des Strafvollzugs im Denkgefängnis der Verantwortlichen. Die Soziologie weiß, dass Milieus ansteckend wirken. Einmal gefangen – immer gefangen – auch im Denken. Wer passt eigentlich auf jene auf, die im Denkgefängnis sitzen? Thomas Wischnewski