Die Legende lebt – 2015 wäre das Café „Impro“ 50 Jahre alt geworden.
Von Ludwig Schumann
Mein Schwiegervater war ein begeisterter Impro-Gänger. Der hat mir immer davon vorgeschwärmt. Irgendwann hat mich das dann gepackt und ich dachte, die Sache wäre es doch wert, ein Revival zu riskieren.“
Holger Drews rief aus dieser Begeisterung für ein Phänomen, das er nur aus Erzählungen kannte, das Impro-Revival ins Leben. Sechs waren es inzwischen, in diesem Jahr feiern Magdeburgs Impro-Fans am 22. August auf der Seebühne im Elbauenpark das siebente und letzte. Natürlich der sieben Brücken wegen ist da KARAT mit am Start. Renft stehen mit dem Magdeburger Urgestein Gisbert Piatkowski an der Gitarre auf der Bühne, und Monokel Kraftblues wird aufspielen. Schließlich und endlich steht auf der Bühne, wer früher im Impro spielte, Eugen Schaal natürlich von den Kellergeistern und viele andere Magdeburger Musiker auch, zur abschließenden Jam-Session.
Moderiert wird der Abend von Holger Drews und Frank Hengstmann. Hengstmann begann seine Karriere seinerzeit im Café Impro, ist also auch improinfiziert. Die Geschichte ist so verrückt wie die Geschichte des legendären Magdeburger Musikklubs überhaupt, die wiederum nur zu verstehen ist, wenn man zwei Dinge begreift: 1. war Magdeburg mal eine Stadt mit Jazzvergangenheit. 2. war Magdeburg für die DDR-Rockszene von ähnlicher Bedeutung wie Hamburg für die bundesdeutsche Szene.
„Das Café Impro war einer der besseren Jazz-Orte in der DDR“, sagte mir der Jazzpianist Joachim Kühn neulich in einem Telefongespräch. Er konnte sich sehr gut der drei Konzerte erinnern, die er 1965 dort absolvierte, mit seinem Trio, mit seinem Bruder Rolf im Quartett und mit dem Zbigniew Namysłowski Quartett, mit dem er die Doppel-LP „Live im Kosmos Berlin“ auch in Magdeburg vorstellte. Der Jazzpapst der DDR, Karl-Heinz Drechsel, hielt hier seine Schallplattenvorträge, beispielsweise zum Thema „Der Jazz und der Befreiungskampf der Neger in den USA“. Das war die politische Linie: Jazz als Musik der Unterdrückten. Die gab es nicht ungestraft, weil die Unterdrückten dann in der DDR den Jazz, insbesondere den Free Jazz als Protest in Noten forcierten. Aber gefeiert wurde natürlich auch. Mit Kenny Ball oder Mr. Acker Bilk oder Chris Barber, wenn sie in Magdeburg gastierten und nach dem Konzert im Impro abhingen oder dort mit Magdeburger Musikern jammten. Jürgen Heider, der Chef des Jürgen Heider Swingtetts, rief damals die Veranstaltungsserie „Jazz im Klub“ ins Leben und nahm diese Serie ins Café Impro mit. Er war eine der großen Hoffnungen der Magdeburger Musikszene. Das Swingtett spielte Tanzmusik, aber zur eigenen Erbauung eben auch Jazz. Die Sänger des Jürgen Heider Swingtetts waren Klaus-Dieter Henkler und Monika Hauff, die sich in dieser Band erst kennen lernten. Es gab bereits Fernsehauftritte, etliche Titel auf der LP „Amateur Favoriten“, die Amateurbands aus der DDR vorstellte. Da setzte ein Autorunfall dem Leben und der Karriere Jürgen Heiders ein jähes Ende.
Am 9. Januar 1965 eröffnete das Café Impro in der ehemaligen „Stadtschänke“, dem vormaligen „Tauentzien“ in der Liebigstraße seine Pforten. „Wir hatten nichts“, erzählt Achim Schulze, ehemaliger
Klubratsboss. „Heider hat aus Gurkendosen Lampen gebastelt. Wir haben nachts vom Springbrunnen in der damaligen Pieck-Allee, heute am Ulrichplatz, die Stühle weggefunden und ins Impro geschleppt.“ Mitten in der DDR entstand ein Klub, der zum „kleinen Liverpool“ wurde.
Als erste Band traten „The Skylarks“ auf, eine Oberschülerband aus Magdeburg, die Sonnabends, vor dem Auftritt, Uschi Nehrkes Beat-Club guckte und mit den dort abgelauschten Hits am Abend auf die Bühne ging. „Naja, wer wirklich englisch konnte, kam mit unserem gesungenen Englisch nicht immer zurecht“, schmunzelt Gerhard Elsner, ehemaliges Bandmitglied heute. Ihnen folgten „Die Kellergeister“, zunächst noch zu viert. Die Band gibt es ja heute noch, freilich längst nicht mehr in der Urbesetzung, aber zumindest um Bassist Eugen Schaal. „Damals haben wir natürlich Beatlestitel gesungen. Der Satzgesang hatte es uns angetan“, erzählt Rolf Steinke. In Elend im Harz erreichte die junge Band damals der Anruf ihres Schlagzeugers, der ihnen kurz vor ihrem ersten Auftritt sagte: Ich habe einen Bandnamen: Die Kellergeister. „Ja“, sagte Rolf Steinke, „den Namen fanden wir nicht schlecht. Und dann sind wir im Kristallpalast zum ersten Mal als Kellergeister auf die Bühne, als opener haben wir damals Geisterreiter gespielt.“ Bevor man aber im Café Impro spielen durfte, musste man einer Jury vorspielen, die aus Jürgen Heider und Mitgliedern seines Swingtetts bestand. Da musste man schon eine musikalische Qualität haben. Das führte bald dazu, dass nicht nur Bands aus Magdeburg, sondern aus der ganzen Republik ins Impro drängten. „Wer im Impro spielen durfte, hatte ein Gütesiegel“, meint Achim Schulze. Die Evgeni-Kantschev-Combo aus Berlin mit Dieter Birr (später Puhdys) gehörte zu den Hausbands. Ebenso wie das Klaus Lenz Sextett in seinen verschiedenen Besetzungen, oder, später, Modern Soul.
Mit dem Einzug der Rockmusik verschwand der Jazz aus dem Impro. Aber die Rockmusiker, und das machte einen Teil des Flairs, kamen und guckten, was die Konkurrenz spielte. Hier traf sich alles, was im Rock Rang und Namen hatte, angefangen von Magdeburger Musikern bis hin zu Berliner oder Dresdner Bands. Renft spielte hier. Die Klosterbrüder ohnehin, aber auch Reform, elektra, die ungarische Band Gemini. „Und wenn man irgendwo gespielt hatte, ging man danach zu den Geierfestspielen ins Impro. Da kreisten die Musiker um die Mädels und stießen dann auf die Tanzfläche“, erinnert sich Rolf Steinke. „Der Charme des Impro war die Enge. Man kam nicht aneinander vorbei, ohne sich zu berühren. Und nie kam man Musikern so nah wie hier“, erzählt eine damalige Besucherin mit leuchtenden Augen. Manche Ehe ist hier begründet worden, manche Ehe aber auch am Impro zerschellt. Für die Musiker bestand der Charme des Impro vor allem darin, dass sie hier Kollegen trafen, dass sie anderen Musikern, auch denen von auswärts, zuhören, Trends abspüren konnten, dass sie abends mitspielen oder einfach miteinander quatschen konnten. Da gab es Gespräche am Rande, Abwerbungen, Neugründungen, Bewegung.
„Es gab etliche Klubs in der DDR, aber keiner hatte eine ähnliche Intensität und Bedeutung wie das Impro.“ Ob Satchmo seinerzeit tatsächlich im Impro war, davor oder nur davon gehört hat? Für jede Version gibt es jemand, der Stein und Bein schwört, dass seine Fassung die richtige ist. Aber vielleicht muss man Legenden ja auch gar nicht auflösen. Vielleicht gibt es einfach Orte, die von der Muße geküsst sind. Das Impro war ein solcher Ort.
Demnächst als Buch:
Das kleine Liverpool – Große und kleine
Geschichten über den legendären Magdeburger Musikclub. (Ludwig Schumann)
ost-nordost Verlag Magdeburg,
ab 22. August 2015 im Handel
Premiere zum Impro-Revival