Sind Eliten wirklich solche, für die man sie gemeinhin hält? Bürger schauen auf politische Eliten. Sie sollen über eine gewisse Richtlinienkompetenz verfügen, damit man als Bürger Orientierung findet. Wohin bewegt sich die Gesellschaft, welche Maßstäbe setzt die Politik in Gesetzen und Verordnungen? Jedes Handeln muss sich schließlich in der Folge daran messen lassen. Oft hat man den Eindruck, als funktionierte dieser Mechanismus nicht mehr so reibungslos wie noch vor einigen Jahren. Allerdings ist die Darstellung, die oben sagen, wo’s langgeht und die unten machen’s dann, eine einseitige. Schließlich werden die Volksvertreter dafür gewählt, dass sie die Interessen ihrer Wähler vertreten. Zählt man eigentlich schon Kraft eines Amtes zur Elite? Die Übersetzung des lateinischen Ursprungs „eligere“ bzw. „exlegere“ heißt so viel wie „auslesen“. Darunter versteht man nun Gruppierungen überdurchschnittlich qualifizierter Personen oder eben herrschende und einflussreiche Kreise. Sind Politiker Herrschende? In der Wahrnehmung immer seltener. Auf dem Weg politische Mehrheitsentscheidungen zu entwickeln, gibt das politische Spitzenpersonal manchmal ein ziemlich ohnmächtiges Bild ab. Vor allem muss die Frage gestellt werden, ob unter den Gewählten wirklich überdurchschnittlich Qualifizierte zu finden sind. Schließlich muss, um gewählt zu werden, niemand einen Intelligenztest vorlegen oder andere Belege besonderer Qualifikationen. Bekanntlich hat so mancher Mandats- oder Amtsinhaber einen Lebenslauf mit Abschlüssen oder Titeln aufgehübscht, für die keine entsprechenden Voraussetzungen vorlagen. Wer verbreitet ergo immerfort die Mär von den politischen Eliten? Wahrhaftiger wäre die Formulierung, Politiker sind die Vertreter der statistischen Normalverteilung. Dies würde viel treffender erklären, warum bahnbrechende politische Entscheidungen sehr selten sind. Es kommt eben oben nur raus, was unten hochgehoben wurde. Das heißt nicht, dass es keine herausragenden Menschen in der Politik gibt. Allerdings werden solche nur so selten sichtbar, wie das innerhalb der statistischen Normalverteilung möglich ist. Deshalb ist es mehr als verwunderlich, dass der Bevölkerungsdurchschnitt von politischer Arbeit mehr als Durchschnitt erwartet. Wo man Durchschnitt auswählt und hinwählt, kann schließlich nur Durchschnitt rauskommen. Das Etikett Elite der gesamten politischen Klientel anzuhaften, ist eher eine Scheinetikettierung. So verwundert beispielsweise der Satz des SPD-Ministerpräsidenten von Mecklenburg-Vorpommern, der am Abend der Landtagswahl nach dem AfD-Ergebnis sagte, man müsse die Bürger für die Demokratie zurückgewinnen. Ja, wo sind die Bürger denn? Etwa in der Diktatur? Man sollte vor allzu großen Erwartungen an Politiker deren geistiges Potenzial beachten, das mit der statistischen Normalverteilung korreliert. Thomas Wischnewski