Alles hat seinen Grund: Zu den Hintergründen der Glyphosat-Verteufelung.
Von Reinhard Szibor
Deutschland wird regelmäßig durch Lebensmittelskandale aufgeschreckt:
Dioxin-Eier, BSE, Pestizide im Gemüse usw. Zurzeit erregt ein „Glyphosat-Skandal“ die Gemüter. Aber diesmal ist die Aufregung geplant. Im Juni läuft die Zulassung für Glyphosat aus und die Europäische Kommission strebt die Abstimmung über eine Erneuerung an. Gestützt auf den derzeitigen Kenntnisstand sagt der Präsident des Bundesinstitutes für Risikobewertung (BfR) Dr. Hensel, Glyphosat sei weniger toxisch als Kochsalz oder Kaffee. Aber nach dem Willen der Grünen und vieler Organisationen soll es in Brüssel unbedingt zu einem Verbot kommen.
Glyphosat ist ein Unkrautvertilgungsmittel (Herbizid), das großzügig in der Landwirtschaft eingesetzt wird. Spuren davon gelangen auch in unsere Lebensmittel. Mit dem Urin wird Glyphosat wieder ausgeschieden. Das führt zu anhaltenden Alarmmeldungen und Forderungen nach einem Verbot des Mittels. Entscheidend ist aber, wie viel von einer Substanz aufgenommen wird – erst die Dosis macht das Gift. Darum werden Grenzwerte festgelegt. In Deutschland gilt für Trinkwasser ein Grenzwert von 0,1 µg/l. Dieser Wert ist nicht etwa an einer möglichen Gefahr orientiert, sondern an der Nachweisgrenze zum Zeitpunkt der Festlegung. Der auf toxikologische Studien basierende Grenzwert für Glyphosat im Trinkwasser entspricht dem 50.000-fachen.
Weiterhin gilt in Deutschland für die Aufnahme von Glyphosat ein im internationalen Vergleich niedriger Grenzwert von 300 µg/kg Körpergewicht, der praktisch nie überschritten wird. Wer einen Feldzug gegen Glyphosat inszenieren will, muss deshalb für aufregende Botschaften sorgen. Im Auftrag der Grünen wurde daraufhin im vergangenen Jahr die Muttermilch von 16 stillenden Frauen untersucht. Vermeintliche Funde zwi-schen 0,21 und 0,43 µg/l sorgten für Entrüstung und zur Bekräftigung der Forderung nach sofortigem Verbot der Agrochemikalie. Aber ein 4 Kilogramm schwerer Säugling müsste demnach pro Tag 2.790 Liter der am stärksten belasteten Muttermilch trinken, um den Grenzwert zu überschreiten. Nähme man den Grenzwert der Weltgesundheitsorganisation wären es 9.260 Liter.
Trotzdem zögerten die Grünen nicht, Weltuntergangsstimmung zu erzeugen, sodass zahlreiche Mütter vom Stillen Abstand nahmen. „Als Bundestagsfraktion haben wir lange überlegt, ob wir Muttermilch auf Glyphosat testen und in Kauf nehmen sollen, damit stillende Mütter möglicherweise zu verunsichern, obwohl Muttermilch so wichtig für Säuglinge ist“ hieß es. Aber es ist erkennbar, dass Verunsicherung das Ziel war. Dumm nur, dass sie für die Analysen ein nicht qualifiziertes Labor beauftragt hatten. Als sich ein zertifiziertes Labor im Auftrage des BfR der Sache annahm, konnte dieses kein Glyphosat in der Muttermilch nachweisen. Nachdem sie Mütter in Angst und Schrecken versetzt hatte, sah sich die Bundestagsfraktion der Grünen inzwischen veranlasst, einzuräumen, dass kein Anlass besteht und bestand, auf das Stillen zu verzichten. Nachdem die zur Emotionalisierung bestens geeignet Muttermilch für die Kampagne versagt hatte, musste ein anderes angsterregendes Szenario gefunden werden.
Das „Umweltinstitut München e. V.“ kam auf die Idee, ein anderes Heiligtum der Deutschen zu instrumentalisieren. Und tatsächlich löste die Kunde, dass das deutsche Bier durch Glyphosat vom Untergang bedroht sei, große Ängste aus. Man fand in den bekanntesten Biermarken Konzentrationen zwischen 0,46 und 29,74 µg/l. Eine seriöse Einordnung des Risikos fehlte. Die liefert aber das BfR kurze Zeit später: Die gemessenen Werte liegen mal vielhundert-, mal mehr als tausendfach unter denen, die Forscher des Bun-des, der Weltgesundheitsorganisation oder anderer Staaten als unbedenklich einstufen.
Fazit: Nur wer Bier hektoliterweise oder gar kubikmeterweise trinkt, überschreitet die Glyphosat-Grenzwerte. Da also die Werte wiederum nicht aufregend sind, hilft ein psychologischer Taschenspielertrick: Der Hinweis, dass der höchste Wert den Trinkwassergrenzwert um das Dreihundertfache übertrifft, verfehlt seine Wirkung nicht. Wer weiß schon, dass es sich in Wahrheit nur um das Dreihundertfache von faktisch Null handelt!
Was ist Glyphosat überhaupt und woher rührt das Interesse, es mit allen Mitteln verbieten zu wollen? Die Speerspitze richtet sich gegen den ungeliebten Chemie- und Saatgutkonzern Monsanto. Er ließ die Substanz 1971 als Herbizid patentieren und brachte es unter dem Markennamen „Roundup“ auf den Markt. Es bringt Pflanzen zum Absterben, weil es die Synthese bestimmter Eisweißbausteine (aromatische Aminosäuren) blockiert. Da nur Pflanzen diesen Syntheseweg haben, ist das Mittel für Tiere und Menschen völlig ungiftig. Glyphosat ist hinsichtlich seiner Gesundheitsrelevanz eine der am besten untersuchten Verbindungen. Es ist weder toxisch, erbgutschädigend, krebserregend noch in der Lage, Missbildungen auszulösen. Nur wenn man Glyphosat in irren Dosierungen direkt in Amphibieneier spritzt, kommt es zu Anomalien, was ebenfalls zu Kampagnen ausgenutzt wird. Aber bei solcher Extrembehandlung würden auch andere ungefährliche Stoffe, wie z. B. Vitamine, schädliche Effekte auslösen. Glyphosat ist für eine effektive Landwirtschaft und andere Wirtschaftszweige unverzichtbar. Es hält Ackerflächen, Bahngleise und Wege sauber und ermöglicht eine pfluglose Feldbestellung. Bodenbearbeitung zur Unkrautbekämpfung verursacht häufig Bodenerosion, wodurch jährlich viele Hektar Ackerfläche vernichtet bzw. in der Qualität gemindert werden. Fachgerecht eingesetzt, dient Glyphosat der Umwelt! Wenn es unsachgemäß verwendet und per Flugzeug zielungenau versprüht wird, wie z. B. in Argentinien, verursacht es Umweltschäden.
Was hinter der Anti-Glyphosat-Kampagne steckt, ist leicht zu durchschauen. Monsanto hat mit gentechnischen Methoden Kulturpflanzen geschaffen, die gegen Glyphosat gefeit sind. Somit kann man aus Feldern mit den angepassten Kulturen Unkräuter selektiv entfernen. Diese geniale Entwicklung ließ Monsanto zum Weltmarktführer in Sachen grüner Gentechnik aufsteigen. Abgesehen von der zum Teil berechtigten Kritik am Geschäftsgebaren von Monsanto, gibt es jede Menge Verschwörungstheorien gegen den Weltkonzern. Die Gentechnik soll ein Instrument sein, durch Abhängigkeit und Nahrungsmittelkontrolle die Weltherrschaft zu erlangen. Anderswo wird das gern als „jüdische Weltverschwörung“ bezeichnet, in Deutschland verzichtet man aus bekannten Gründen auf diesen Begriff. Auffällig ist, dass sobald ein Produkt von Monsanto produziert wird, dieses mit Giftwarnungen und Verschwörungstheorien diffamiert wird. Das trifft auch für den Süßstoff Aspartam zu, mit dem die Nahrungsmittelwirtschaft den schädlichen Zuckerkonsum deutlich reduziert.
Voll ins Konzept der Monsanto-Gegner passt nun, dass die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) nach einer neuen Bewertung der längst bekannten Fachliteratur Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft hat. Damit kommt man dem Ziel des Verbotes näher. Ein Erfolg würde die Spendenkasse klingeln lassen und den politischen Einfluss der Allianz aus grünen Parteien und Organisationen nach oben katapultieren. Egal ist es den Aktivisten, dass die Landwirtschaft Glyphosat sofort durch andere Herbizide ersetzen würde, deren Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier wesentlich schlechter geprüft und möglicherweise tatsächlich gesundheitsschädlich sind. Erwähnenswert scheint, dass die IARC keinesfalls, wie oft behauptet, mit der WHO identisch ist. Sie ist eine Unterorganisation, wie z. B. auch das Joint FAO/WHO Meeting on Pesticide Residues (JMPR). Letzteres hält Glyphosat nicht für krebserregend und stimmt darin mit dem BfR und der Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) überein. Bliebe noch die Frage, wieso es zu der überraschenden Einschätzung durch die IARC kommt, die im Widerspruch zu allen anderen Risikoeinschätzungen steht. Erklärend ist, dass in der Sache Glyphosat ein Prof. Christopher J. Portier für die IARC tätig war. Der ist Aktivist der Monsanto-feindlichen US-Umweltorganisation „Environmental Defense Fund“. Da pfeifen die Spatzen den Interessenkonflikt von den Dächern!
Nach seinem Auftreten stufte die Behörde plötzlich Publikationen als valide ein, die früher als nicht beweisend abgelehnt wurden. Man versteigt sich sogar dazu, aus statistischen Korrelationen Ursachenbeweise zu konstruieren. Mit dieser Art von Junk Science (Klimbim-Wissenschaft) kann man auch „beweisen“ dass der „Klapperstorch“ eben doch für die Babys zuständig ist, weil ja mit dem Rückgang der Population auch die Geburtenrate abnahm. Auch ließe sich augenzwinkernd zeigen, dass der verstärkte Konsum von „Biolebensmitteln“ für den Anstieg des Autismus verantwortlich ist (siehe Abbildung).
Es ist rätselhaft, warum die Grünen eine Substanz verbieten wollen, die von der IARC nur als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft wurde, während Grillkohle und Kaminholz, die beim Verbrennen auf jeden Fall krebserregende Stoffe erzeugen, nicht auf der Verbotsagenda stehen. Oder doch nicht?
Der Autor
Prof. Dr. Reinhard Szibor ist gelernter Gärtner, später studierte er Biologie an der FSU Jena. Molekulare Genetik lernte Szibor am Max-Delbrück-Zentrum in Berlin-Buch. An der OvGU arbeitete er wissenschaftlich auf dem Gebiet der Molekularen Abstammungsgenetik. Er ist Mitglied im Kollegium emeritierter Professoren und gehört dem Forum Grüne Vernunft an.