„Unser Hergotts Canzlei“ rüstet auf und wächst zur Festung.
Im Jahr 1517 veröffentlichte Martin Luther in Wittenberg seine 95 Thesen und prangerte öffentlich kirchliche Missstände an. Dies zog eine Spaltung der Kirche in „Altgläubige“ und „Protestanten“ nach sich.
1524 leisteten die Magdeburger einen Eid auf das neue Bekenntnis, und die Stadt war damit die erste in Deutschland, die geschlossen zum lutherischen Glauben übertrat. In Erwartung militärischer Auseinandersetzungen mit dem Erzbischof verstärkte der Stadtrat die Befestigungen. 1525 entstand eine Mauer mit Wall am Elbufer, die 1536 an der südlichen und nördlichen Ecke mit Rondells ergänzt wurde, die in die Elbe hineinragten. Ab 1546 führten Hauptwall und Hauptgraben dann auch an der Südseite der Stadt von der Sebastianskirche bis zum Dom.
Magdeburg entwickelte sich zum Widerstands-Zentrum gegen den katholischen Glauben und wurde auch als „Unser Herrgotts Kanzlei“ bezeichnet. Gelehrte, die vor den katholischen Truppen im Schmalkaldischen Krieg aus Wittenberg geflohen waren, verfassten nun in Magdeburg ihre antikatholischen Schriften. Von 1547-1562 wurde die Reichsacht über die Stadt verhängt.
Die wachsende Bedrohung der Stadt machte eine stärkere Befestigung notwendig. Deshalb wurden 1550 die südlichen Festungsanlagen durch den Bau der Heydeck-Schanze an der Südwestecke nahe der Sebastianskirche ergänzt. So konnte „die feste Stadt“ 1550/51 der Belagerung der kaiserlichen Truppen unter Kurfürst Moritz von Sachsen und dem Markgrafen Albert von Brandenburg 13 Monate lang standhalten.
1618 begann in Europa ein Krieg, der später als „30-jähriger Krieg“ in die Geschichte eingehen sollte. 1625 wurde vor dem südlichen Elbrondell das Bollwerk „Gebhardt“ gebaut und vor dem nördlichen Elb-rondell das „Neue Werk“, ergänzt durch Vorschanzen, Kron- und Hornwerke zur Sicherung des Hauptwalls, der zahlreichen Stadttore und der Zollschanze am östlichen Ufer der Elbe. Erstmals trafen nun kaiserliche Truppen in Magdeburg ein.
1629 führte der Krieg zu wachsenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Magdeburg verwehrte eine Tributzahlung von 150.000 Talern. Der Kaiser reagierte darauf mit einer Belagerung der Stadt. 1630/31 wurden die Festungsanlagen unter der Leitung von Oberst Dietrich von Falkenberg nochmals verstärkt. Dieser war mit einem Trupp schwedischer Soldaten im Auftrag des Schwedenkönigs Gustav Adolf in Magdeburg und ließ vorgelagerte Schanzen, Werke und „Trutzen“ in Westerhüsen, Buckau und den Elbwerdern, sowie von der Kreuzhorst, Prester und Cracau bis zur Zollschanze anlegen.
1631: Vor der Stadt Magdeburg lagern mehr als 30.000 Söldner in ihren Stellungen. In der Stadt harren 35.000 Menschen aus, verbarrikadiert in Kirchen, Kellern, Festungen. Am 10. Mai gibt Feldherr Tilly den Befehl zum Sturm – nach nur drei Stunden ist die Festung gefallen. Munitionsknappheit, die Übermacht der Angreifer und ein Großbrand nach einer verherenden Kanonade – die Söldner Tillys erstürmen Magdeburg vom Norden aus. Ein bisher noch nie beschriebenes Inferno setzte ein. Die entfesselte Soldateska macht die Stadt mit beispielloser Grausamkeit dem Erdboden gleich. Bis zu 20.000 Menschen erliegen diesem Massaker. Zeitgenössische Schriften berichten, dass die Elbe mit Toten voll war. Nur der Dom und einige wenige Häuser überstanden den Brand und die Eroberung. Der Begriff „magdeburgisieren“ ging als Synonym für „völlig zerstören, auslöschen“ ging in die deutsche Sprache ein. Das Bildnis der „Trauernden Magdeburg“ (links), eine Begleitfigur des Wormser Lutherdenkmals, steht als Sinnbild für die Vernichtung Magdeburgs und für die Grausamkeiten des Krieges.
Nachdem die Söldner die Stadt völlig leerplünderten und von den wenigen Überlebenden auch noch Lösegeld erpresst hatten, begann in den Feldlagern vor den Toren der Stadt die Zeit der Siegesfeiern. Diese Gelage gingen als „Magdeburgische Hochzeit“ – eine symbolische Hochzeit des „Junkergesellen Tilly“ mit der „Magdeburger Jungfrau“ – in die Geschichte ein. Den mehr als 4.000 Menschen, die sich im Dom Schutz gesucht hatten, drohte das Schicksal aller Magdeburger. Der damalige Domprediger Dr. Reinhard Bake rettete sie mit einem Kniefall vor Tilly und bat für alle Überlebenden um Gnade. Tilly gewährte von da an allen Überlebenden Schutz und erließ am 14. Mai 1631 den Befehl, das Plündern einzustellen. Zehn Tage später brach Tilly mit seiner Armee auf und ließ als Stadthalter Graf Mansfeld mit 5.000 Söldnern zurück, die den katholischen Glauben in den wiederaufgebauten Kirchen durchsetzen sollten. Der Schutt- und Aschehaufen, in den der Dreißigjährige Krieg Magdeburg verwandelt hatte, zählte nur noch 200 Häuser. Der Überlebenswille und die Tatkraft der Magdeburger siegten jedoch, und schon bald entstanden erste Pläne für den Wiederaufbau. (rf)