Das Leben sollte leichter und besser werden, aber häufig stehen davor Gesetze, die es oft eher schwerer machen.
Von Matthias Kühne
In der Baufinanzbranche ist ein neues Zeitalter angebrochen. Blicken wir zunächst auf die theoretische Habenseite: Die Zinsen sind günstig wie nie und mit Inkrafttreten der europäischen Wohnimmobilien-Kreditrichtlinie sollen Darlehensnehmer besser vor Überschuldung geschützt sein.
Das klingt nach ausgezeichneten Voraussetzungen für eine solide Basis der Wohnungsbauwirtschaft. Viele der neu formulierten Vorschriften sind durchaus sinnvoll. So wird beispielsweise der Erhalt der Vorfälligkeitsentschädigung festgeschrieben. Dieses bewährte Instrument ermöglicht es Kunden weiterhin, langfristige Immobilienfinanzierungen zu stabilen Konditionen aufzunehmen. Doch es gibt eben auch die Kehrseite. Und die produziert eine übergewichtige Be- oder Verhinderung.
Eins nach dem Anderen: Wir kennen alle die in die Zukunft weisenden Ideen für ein möglichst papierloses Büro. Die neue Richtlinie schafft jedoch das genaue Gegenteil. Reichten für einen Kreditantrag in den 90er Jahren vielleicht rund 10 Seiten Papier, brauchen wir heute durchschnittlich 50. Zu notwendigen Belehrungen, Widerrufsbelehrungen, Erklärungen und Selbstauskunft kommt dann noch die Selbstauskunft aus Selbstauskunft, die Vorauskunft und die Auskunft über die Auskunft hinzu. Das mag überspitzt klingen. Aber das gute Ansinnen des Staates den Verbraucher vor Überschuldung zu schützen, zwingt Kreditgeber und Finanzberater dazu, das Leben eines Kunden bis ins kleinste Detail zu durchleuchten. Wahrscheinlich möchte man am liebsten eine Garantieurkunde ausstellen, die jedem bescheinigt, bis in den Tod solvent zu sein.
Gut, das Ableben kann man mit Lebensversicherungen für Angehörige finanziell abfedern. Sogar zeitweilige Arbeitslosigkeit kann überbrückt werden. Schließen Sie mal eine Versicherung gegen Scheidung ab. Das geht nicht. Trennungen sind jedoch nach wie vor die häufigste Ursache für notleidende Finanzierungen und Zwangsversteigerungen. Auch andere Lebensrisiken kann man nie vollständig ausschließen. Im Auge eines Kreditgebers könnte sogar der Familienzuwachs durch weitere Kinder ein Finanzierungsproblem sein. Das nenne ich prima Familienpolitik im Sinne ausreichender Nachkommenserzeugung. Als Selbstständiger ist es in der Regel ohnehin schwerer, einen Kredit zu erhalten. Sie leben ja quasi immer im Risiko. Letztlich sind Unternehmer solche, die Firmen gründen und Arbeitsplätze schaffen. Im Sinne der Kreditrichtlinienerfinder, aber bitte alles ohne Risiko. Für Menschen mit geringeren Einkommen wird der Weg zu einem Eigenheim ebenfalls immer schwerer. Gerade solchen wollte die Politik jedoch Wege für eine private Alterssicherung durch Wohneigentum öffnen. In der Realität erleben wir das genaue Gegenteil. Wer einmal einen Rechnungsstreit mit seinem Mobilfunkanbieter hatte, kann ganz schnell einen Eintrag in der Schufa erhalten. Sparen Sie sich in so einem Fall gleich die Terminvereinbarung mit einem Baufinanzierer.
Anstatt Sicherheit zu erzeugen, schafft die neue Richtlinie eher Unsicherheit. Es soll „wahrscheinlich“ sein, dass ein Kreditnehmer seinen Verpflichtungen vertragsgemäß nachkommen kann, besagt beispielsweise der neue Paragraf 505a BGB. Doch wie „wahrscheinlich“ zu definieren sei, dazu sagt das Gesetz nichts. Der Gesetzgeber wälzt damit die Bewertung strittiger Fälle elegant auf die Gerichte ab. Da man weiß, dass Gesetze vorrangig an Ministeriumsschreibtischen entstehen, könnte man schlussfolgern, dass Schreibtischhorizonte keine Lebenshorizonte sind. Die Erkenntnis, dass die Einführung der Riester-Rente 2001 kein gelungener Wurf war, dauerte 15 Jahre. Obwohl es von Anfang an kritische Stimmen gab, lenkt die Politik erst heute ein. Mal sehen, wie lange der Erkenntnisprozess bei der Wohnimmobilien-Kreditrichtlinie dauert.