Terror, Amokläufe, Kriminalität – Menschen wollen Sicherheit. Sie blicken oft zuerst auf die Polizei. Kann die den gesellschaftlichen Erwartungen gerecht werden? Reicht die personelle Ausstattung? Ist die Ausbildung auf dem neuesten Stand? Frank Knöppler, Rektor der Fachhochschule der Polizei in Aschersleben, sieht seine Absolventen gut gerüstet, aber auch Bürger in der Pflicht, etwas für die eigene Sicherheit zu tun.
Nachrichten von Terror und Amokläufen erschrecken die Magdeburger. Leben wir momentan wirklich in einer besonders gefährlichen Zeit?
Frank Knöppler: Wir leben in einer anderen Situation als noch vor Monaten, weil sich die Lage erheblich verändert hat. Angesichts der terroristischen Anschläge gibt es in Deutschland erhöhte Anforderungen an die Sicherheit. Die Polizei hat dabei ein erhebliches Maß an Aufgaben zu leisten.
Wie wirkt sich das bei Ihnen aus?
Letzten Endes ist es auf diese veränderte Sicherheitslage zurückzuführen, dass die Polizei in Sachsen-Anhalt in den kommenden Jahren die Personalausstattung erheblich erhöht. Wir an der Fachhochschule der Polizei merken das hautnah. Bisher haben wir jährlich im Schnitt 100 bis 150 Studierende und Auszubildende eingestellt. Im Jahr 2016 werden es 350 sein, 2017 sollen es 700 und 2018 dann 500 werden. Das stellt uns vor erhebliche Herausforderungen.
Lässt sich durch mehr Polizei überhaupt mehr Sicherheit erreichen?
Die Polizei ist der Garant für die innere Sicherheit und die Personalstärke ein wichtiger Faktor, um alle Aufgaben, wie Strafverfolgung, Gefahrenabwehr, Verkehrsüberwachung, zu erledigen. Mit einer dünnen Personaldecke kommt man da natürlich schnell an Grenzen.

Frank Knöppler:
Der 56-Jährige begann 1991 seine Arbeit im Landesdienst Sachsen-Anhalt als Leiter des Zentralen Kriminalitätsdienstes der Polizeiinspektion Stendal. Nach Aufgaben im Innenministerium und im Landeskriminalamt in den Jahren 1997 bis 2009 wechselte er als Prorektor an die Fachhochschule der Polizei nach Aschersleben, wo er bereits vorher als Gastdozent tätig war. Im Jahr 2013 wurde er offiziell zum Rektor ernannt, nachdem er das Amt rund eineinhalb Jahre kommissarisch ausgeübt hatte. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.
Das Studium an der Fachhochschule dauert drei Jahre. Sie bilden jetzt für die aktuellen Gefahrenlagen aus. Sind die „Bösen“ nicht immer einen Schritt voraus?
Keiner weiß, wie die Sicherheitslage in zwei oder drei Jahren aussieht. Im Moment hat das Thema besonders hohe Priorität, nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Es geht darum, den Menschen echte Sicherheit zu geben und nicht nur ein subjektives Gefühl zu vermitteln. Dazu gehört, dass man Informationen einholt und aktiv agiert, nicht nur reagiert. Die Polizei stellt sich auf bestimmte Bedrohungsszenarien ein, um solche Situationen zu meistern. Das Lernen endet nicht mit dem Studienabschluss. Auch Im Rahmen der Aus- und Fortbildung werden unsere Beamten fit gemacht, um diese Aufgaben in hoher Professionalität zu erledigen.
Jeder denkt beim Thema Sicherheit im Moment an Terror und Amokläufe. Es gibt aber auch andere Gefahren im täglichen Leben. Worum sollten sich die Menschen außerdem sorgen?
Keiner ist davor gefeit, Opfer eines Verbrechens zu werden. Besonders schlimm, wenn das im engeren persönlichen Bereich geschieht. Aber jeder hat auch eine eigene Verantwortung und ist gut beraten, sein persönliches Umfeld so einzurichten, dass es bestmögliche Sicherheit bietet. Dazu gehört zum Beispiel ein ausreichender Einbruchsschutz an Häusern und Wohnungen, für den es auch finanzielle Förderungen gibt. Die Polizei kann durch Präsenz und gezielte Maßnahmen der Fahndung sowie der Kontrolle von gefährdeten Bereichen das ihrige tun.
Meinen Sie, dass die Leute ihren persönlichen Schutz vernachlässigen?
Jeder Mensch hat ein individuelles Sicherheitsgefühl, das sehr unterschiedlich ausgeprägt ist. Manchmal liegt es am Geld, dass nicht genügend für den Schutz von Hab und Gut getan wird. Allgemein glaube ich aber, dass das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung in Bezug auf Kriminalität und andere Bedrohungen sehr sensibel ist. Das wird natürlich durch die Ereignisse der letzten Wochen genährt.
Worauf werden die Studenten und Auszubildenden der Polizeifachhochschule vorbereitet? Was können die Bürger von ihnen erwarten? Wo liegen die Grenzen?
Unsere Studenten und unsere Auszubildenden werden für die Verwendung in den Einsatzhundertschaften der Bereitschaftspolizei, dem zentralen Einsatzdienst der Polizeibehörden und den Streifendienst ausgebildet. Das erfolgt sehr praxisorientiert. Die Absolventen verfügen über ein hohes fachliches Wissen und können Alltagssituationen im Praxiseinsatz handlungssicher meistern. Sie sind aber nicht für spezialisierte Aufgaben innerhalb der Polizei geschult. Das erfordert eine längere und gründliche Fortbildung.
Welche Voraussetzungen sollten ihre Bewerber mitbringen?
Für das Studium ist das Abitur bzw. die Fachhochschulreife, für die Ausbildung der Realschulabschluss Voraussetzung. Die Bewerber müssen EU-Bürger sein. Das Höchstalter für die Einstellung liegt in der Regel bei 35 Jahren. Es müssen ein Deutsch-Test und ein Intelligenz-Struktur-Test absolviert werden. Desweiteren musssich jeder einem Auswahlverfahren vor einer Kommission stellen. Natürlich gehören die gesundheitliche Eignung und die sportliche Fitness zum Polizeiberuf.
Wie ist es mit Mut und Stressfestigkeit?
Wir prüfen nicht, ob jemand besonders mutig ist. Aus dem Intelligenz-Struktur-Test geht aber hervor, ob jemand die nötige Reife besitzt.
Finden sich genügend geeignete Bewerber oder müssen Sie die Kriterien bald nach unten schrauben?
Wir haben in der Polizei Nachwuchssorgen, daher betreiben wir intensiv Berufsinformation und Werbung. Derzeit gibt es ausreichend Bewerber, aber nicht jeder Interessent ist letztlich für den Polizeidienst geeignet. Und wir haben natürlich ein hohes Anforderungsprofil. Andererseits können wir mit den Ausbildungsbedingungen und -inhalten am Standort Aschersleben einiges in die Waagschale werfen. Ein Aufweichen der Kriterien, die als Messlatte für den Beruf des Polizisten unerlässlich sind, wird es nicht geben.
Polizei kann nicht überall sein. Kriminelle lauern aber scheinbar überall, auf der Straße, in der Wohnung, sogar virtuell im Internet. Wo kann man sich überhaupt noch sicher fühlen?
Das ist eine sehr subjektive und individuelle Einschätzung. Es hängt immer von den persönlichen Gewohnheiten und Vorlieben der Menschen ab. Sicherheit ist auch ein Merkmal, dass nicht nur mit Polizei zu tun hat. Extremsportler gehen zum Beispiel ein hohes Risiko ein und fühlen sich dabei sehr sicher. Im Regelfall sollte man sich zu Hause, im Arbeitsumfeld und in der Freizeit sicher fühlen. Deutschland ist ja kein unsicheres Land. Noch ist man hier sicher aufgehoben.
Gibt es Situationen, in denen Sie sich persönlich unsicher fühlen oder ein mulmiges Gefühl haben?
Wenn meine Frau sagen würde: ,Ich fahre Motorrad und Du setzt Dich hinten drauf!’ Ansonsten fällt mir keine Situation ein, in der ich mich unsicher fühle. Ich gehe mit dem Thema Sicherheit jeden Tag um. Daher habe ich selbstverständlich dazu eine andere Einstellung als jemand, der damit nicht professionell zu tun hat.
Nach der Euphorie über die neue Freiheit Anfang der 1990er Jahre haben die Menschen im Osten Deutschlands heute wieder mehr Angst. Ist dieses Gefühl begründet?
Die Lage hat sich seitdem weltweit geändert und verschärft. Das ist ein Fakt. Außerdem sind wir durch die europäische Integration mit ganz neuen grenzüberschreitenden Kriminalitätserscheinungen konfrontiert, die sich zum Beispiel in Tageswohnungseinbrüchen oder Kraftfahrzeugdelikten widerspiegeln. Der Terrorismus ist ein akutes Problem. Diesen neuen Herausforderungen müssen wir uns stellen.
Was kann jeder Einzelne für die eigene Sicherheit tun?
Der beste Schutz besteht darin, sich gut und vielseitig zu informieren. Jeder kennt seinen eigenen Lebensablauf und persönlichen Rhythmus am besten. Wer viel in der Welt unterwegs ist, hat ganz andere Ansprüche, als jemand, der gern zu Hause bleibt. Ich halte nichts davon, sich zu verkriechen und keine Veranstaltungen mehr zu besuchen. Was ich in der Freizeit mache, mit wem ich mich treffe und wie mein Wohnumfeld aussieht, möchte ich schon selbst entscheiden.
Fragen Christian Wohlt