Die Not in der Notaufnahme

Notaufnahme1Menschen mit akuten Beschwerden suchen schnelle Hilfe. Im Klinikum Magdeburg werden seit einigen Jahren kontinuierlich wachsende Patientenzahlen in der Notaufnahme registriert. So verdoppelte sich innerhalb der vergangenen zehn Jahre die Anzahl ambulanter Behandlungen ohne notwendige stationären Aufnahme. Die tatsächlichen Fälle mit notwendiger Weiterbehandlung im Krankenhaus, sind dagegen kaum gestiegen. 2004 wurde die Notaufnahme des städtischen Klinikums für die Erstbetreuung von 10.000 ambulanten und 14.000 stationären Patienten pro Jahr baulich neu konzipiert. In der Prognose für 2016 erwarten die Mitarbeiter des Klinikum über 20.000 ambulante und 19.000 stationäre Patienten. „Es zeichnet sich eine deutliche Verschiebung in den ambulanten Sektor ab, die von Akut-Krankenhäusern kaum noch zu bewältigen ist. Solche Einrichtungen sind weder infrastrukturell noch betriebswirtschaftlich dafür ausgerichtet.
Eine wesentliche Ursache für diesen Trend sind lange Wartezeiten bei niedergelassenen Fachärzten. Auf einen Termin bei einem Orthopäden kann die Wartezeit zwischen sechs bis acht Wochen betragen. Die Diagnostik nimmt möglicherweise zusätzliche Zeit in Anspruch. Deshalb suchen Patienten nach Alternativen. Das Anlaufen einer Notaufnahme mit entsprechend ärztlicher und diagnostischer Ausstattung, um Leidens- und Wartezeit zu verkürzen, liegt auf der Hand.
Diese Entwicklung verstärkt außerdem das Bewusstsein, dass eine Notaufnahme einfach eine rund um die Uhr erreichbare Arztpraxis ist. Das persönliche jedoch nicht lebensbedrohliche Leiden rückt im Stellenwert über diet tatsächliche Lebensgefahr. Aus Patientenbefragungen wissen wir, dass Wartezeiten von zwei bis drei Stunden „gern“ inkauf genommen werden, wenn am Ende des Wartens eine ärztliche Diagnose steht, die Beschwerdenursache ausgemacht ist und sofort erstellte CT- oder MRT-Bilder, Röntgenaufnahmen bzw. Laborbefunde fundiert ausgewertet werden konnten. In diesem Dilemma stecken alle Akut-Krankenhäuser. Niemand der medizinischen Mitarbeiter möchte bei der Anmeldung einen Patienten ohne Begutachtund wegschicken und auf einen Haus- oder Facharzt verweisen. Patientenströme lassen sich unter diesen Bedingungen kaum angemessen organisieren und lenken. Die gesamte personelle und technische Organisation wird mehr als hart am Wind gefahren. Letztlich können wegen des ambulanten Übergewichts, für das ein Krankenhaus im Gesundheitssystem nicht konzipiert ist, die Leistungen für wirklich lebensbedrohliche Fälle ins Hintertreffen geraten.
Die Bedarfsplanung bei den niedergelassenen Ärzten muss überprüft und angepasst werden. Vielleicht könnte auch die Implementation von sogenannten Portalpraxen im direkten Umfeld einer Notaufnahme für Entlastung auf allen Seiten sorgen, bei Patienten und Krankenhäusern. Hier sind dringend politische Entscheidungen gefragt.
Im städtischen Klinikum Magdeburg  wurden  im vergangenen Jahr über 38.400 Fälle in der zentralen Notaufnahme behandelt – mit denselben Kostenfolgen wie z.B. in der Universitätsklinik Magdeburg. Die Klinik erzielt durchschnittlich 30 Euro pro ambulantem Patient, muss jedoch Kosten in Höhe von rund 110 Euro für personelle und materialtechnische Aufwendungen einsetzen. Die BudgetTrennung zwischen ambulanter und stationärer Patientenversorgung führt dazu, dass mit Zuwachs der Patientenzahlen in der Notfallambulanz das Budget der stationären Versorgung unverhältnismäßig hoch belastet wird. Die Problematik der nicht kostendeckenden Vergütung ambulanter Notfallpatienten ist hinlänglich bekannt, es wird jedoch nach wie vor nicht finanziell entlastet. Selbst das kürzlich im Bundestag verabschiedete Krankenhausstrukturgesetz, das zwar eine finanzielle Besserstellung für Kliniken mit Notfallambulanz vorsieht, wird die Defizite kaum auffangen. Patienten werden weiter den schnellsten Weg zur Diagnose suchen und damit weiterhin in die Krankenhaus-Notaufnahme strömen.
Heike Gabriel, KLINIKUM MAGDEBURG gemeinnützige GmbH