Lebt man in Magdeburg eher in Eintracht oder im Streit nebeneinander? Nachbarschaft ist ein wenig wie Lotterie. Störenfriede und Meckerer gibt es unter Nachbarn immer wieder. Die gute Nachricht sei voran gestellt: Die meisten Magdeburger leben in friedlicher Nachbarschafts-Eintracht.
Dennoch beklagt sich mancher über die Menschen nebenan. Ob dies rechtmäßige oder unberechtigte Streitigkeiten sind, kann oft nicht geklärt werden. Und häufig liegt die Ursache für Auseinandersetzungen schon in der langen Geschichte einer Nachbarschaft. Fest steht, alles, was den Nachbar stört, wird angezeigt beim Ordnungsamt der Stadt. Allerdings ist das Amt nicht für alles zuständig und in vielen Fällen ist darüber hinaus die Beweisbarkeit ohnenhin nicht gegeben.
In vielen Fällen ist der Gegenstand nachbarschaftlichen Ärgers Lärm. Hobbys, Partys, Streit, Kinderspiele, die laufende Waschmaschine oder der Rasenmäherkrach, selbst das Stühlerücken kann als belästigend empfunden werden. Beim Ordnungsamt wird bei einer Anzeige wegen Lärmbelästigung (Privatlärm) nicht der Lautstärkepegel gemessen. Es zählt stets die Frage nach der Art der Belästigung, Zeit und Dauer und wer belästigt worden ist. Fühlt sich nur eine Einzelperson belästigt und nicht die Nachbarschaft oder Allgemeinheit, fehlt in der Regel das sogenannte öffentliche Interesse und die Zuständigkeit der Stadt ist nicht gegeben. In solchen Fällen verweist das Ordnungsamt auf den privatrechtlichen Weg und empfiehlt zunächst die eigens für diese Zwecke eingerichteten Schiedsstellen in Anspruch zu nehmen. In den meisten Fällen beschweren sich Nachbarn wegen Freizeitlärms.
Radio und Fernseher, Betrieb von Haushaltsgeräten, Baden Duschen, Hausmusik, Partys in Haus und Garten, Kinderlärm, Lärm durch Tiere, Lärm durch Gartenarbeit – kurzum alles, was wir so in der Freizeit veranstalten können, stört möglicherweise die Mitbewohner nebenan. 2014 gab es 180 Anzeigen von Nachbarn, die zu einem Verfahren führten. Anrufe und Meldungen gab es viel mehr, 2015 waren es bislang 328 zum Thema Lärm (s. Tabelle).
Beim Stadtordnungsdienst wird übrigens auch angezeigt, wenn der Nachbar die Straße nicht reinigt oder den Schnee nicht schiebt, wenn der Hund nicht an der Leine geführt wird oder durch einen defekten Zaun entwischt. Selbst die Fütterung von Vögeln und streunenden Katzen wird beobachtet und der Stadt mitgeteilt. Müllbeutel, die nicht in Tonnen entsorgt wurden, sind ebenfalls ein Thema. Baut der Nachbar, entgeht anderen nichts – selbst die falsche Ziegelfarbe oder eine abweichende Dachneigung finden Kritiker, die Regelverstöße sehen und anzeigen. Die Beantwortung der nachbarschaftlichen Fragen: Wer darf wann wo an, auf oder neben meinem Grundstück parken, und steht der Blumenkübel des Nachbarn vielleicht an falscher Stelle, kann in der Folge zu nervenaufreibenden Diskussionen führen.
Darf man nachts duschen oder Papageien auf dem Balkon gehalten werden? Wo endet die Toleranz beim Kinderlärm? Mein Nachbar hält Schlangen – darf der das? Hinweise, ob der Nachbar vielleicht nicht gewerbliche Tätigkeiten in seiner Wohnung ausübt – all das regt Leute auf und veranlasst sie nach Recht und Ordnung zu rufen. Im Garten und auf Wochenendgrundstücken entstehen ebenfalls jede Menge Zwistigkeiten. Hier wird die zu laute, nächtliche Pumpe oder der Komposthaufen, der vielleicht keiner ist, als Störfaktor identifiziert.
In vielen Fällen werden Stadtordnungsdienst oder Polizei gerufen, in anderen Fällen erfolgt sogar eine schriftliche Anzeige beim Ordnungsamt oder einer entsprechenden Fachabteilung, des Umwelt-, Bauordnungs- oder Veterinäramt. Für die Verwaltungsmitarbeiter ist nicht immer eine zweifelsfreie Trennung möglich, ob es sich nur um einen Nachbarschaftsstreit handelt oder ob tatsächlich Rechtsverstöße angezeigt werden. Vor dem Amtsgericht enden letztlich die wenigsten Konflikte. Waren es im Jahr 2010 noch 45 Verfahren aus Nachbarschaftsstreitigkeiten, registrierte das Gericht 2014 nur noch 23. Die Schiedsstellen der Stadt schlichten pro Jahr etwa 15 Streitfälle. Bei den juristischen Auseinandersetzungen geht es vorrangig um Grundstücksangelegenheiten. So werden beispielsweise Grenzabstände von Gewächsen, Zäunen oder die nicht ordnungsgemäße Ableitung von Wasser vor den Richter gebracht. Nachbarn können eben gut aufpassen, dass sich alle an die Regeln halten. Offensichtlich schwingt bei vielen im Wesen doch noch der Wert preußischer Ordnungsliebe nach. (tw)