Magdeburg hat viele Denkmäler und Statuen von berühmten männlichen Persönlichkeiten, wie die des von Eike von Repgow beispielsweise. Nicht minder bedeutsam sind aber auch die weiblichen Charaktere, die sich hinter diesen alten Erinnerungen an vergangene Zeiten verstecken und denen wir jeden Tag unbewusst begegnen. Die Stadtführerinnen aus Magdeburg haben sich in ihren Führungen den wichtigen Frauen dieser Stadt einmal genauer gewidmet. Ursula Hartmann, Vorsitzende des Verbandes Magdeburger Stadtführer e.V., erklärt warum: „Wir versuchen mit solchen speziellen Führungen, Seiten Magdeburgs aufzuzeigen, die deshalb interessant sind, weil sie nicht jeder kennt.“
Da man mit dem Bus einfach zu schnell daran vorbeifährt, geht Ursula Hartmann die Führung gern zu Fuß. So kann sie gelegentlich stehen bleiben und den Interessierten die Frauengeschichten näher bringen, um sie stärker ins Bewusstsein zu bringen. „Wenn wir so eine Stadtführung machen, tritt eine von uns auf und liest etwas vor oder stellt sprechender Weise diese Persönlichkeit vor.“
Wie sie ihre ganz eigene Tour gestalten würde, weiß sie auf Anhieb: „Ich hätte ruckzuck eine Stadtführung zusammengepackt, die ich beim Immermann-Brunnen beginnen würde.“ Dort erzählen die Stadtführerinnen über die bemerkenswert geistreiche Elisa Davidia Margaretha von Lützow. Nach ihrer damals skandalösen Scheidung von ihrem Ehegatten, dem General von Lützow, pflegte sie eine langjährige Liebesbeziehung mit Karl Immermann. Während ihrer innigen Partnerschaft wirkte sie enorm auf seine dichterische Tätigkeit ein. Sie übersetzten sogar zusammen Walter Scotts „Ivanhoe“, was Immermann die Türen in die gesellschaftlichen Kreise öffnete, die ihm bis dahin verschlossen waren. Trotz ihrer langjährigen Liebe weigerte sich Elisa von Lützow, Immermann zu heiraten. Eine starke, unabhängige Frau also, die selbst über ihr Leben bestimmen wollte und sich bis zu ihrem Tod ihrem Literatursalon in Berlin widmete, in dem sie Gäste wie Ludwig Tieck empfing.
Eine weitere interessante Frau, über die Ursula Hartmann so einiges erzählen kann, ist Anna Louisa Karsch, die von den Männern nur „die Karschin“ genannt wurde. Um von ihrem gewaltsamen Mann unabhängig zu sein, begann sie huldigende Gedichte über den preußischen König Friedrich den Großen zu schreiben. „Für meine Begriffe machte sie das ganz bewusst, um damit Geld zu verdienen, also hat sie der Herrschaft gehuldigt. Sie war eine Persönlichkeit, die es trotz dieser Bedingung des Kleinhaltens der Frauen geschafft hat“, erzählt die passionierte Stadtführerin. Mit ihrem dichterischen Talent hat sie solche Männer wie den Dichtervater Johann Wilhelm Ludwig Gleim und Friedrich Gottlieb Klopstock für sich eingenommen und sich so in die Riege berühmter Dichter eingereiht. Bis 1762 finanzierten Förderer das Leben der Karschin in Halberstadt und Magdeburg. Sie verkehrte am Hof der (von ihrem Gatten Friedrich dem Großen getrennt lebenden) Königin Elisabeth Christine von Preußen in Magdeburg und pflegte engen Kontakt mit Prinz Ferdinand von Braunschweig, Graf Heinrich Ernst zu Stolberg-Wernigerode und Graf Christian Friedrich zu Stolberg-Wernigerode. Sie schrieb Texte für Amalie von Preußen, die Äbtissin von Quedlinburg, die diese vertonte.
Frau Hartmanns persönliche Tour durch die Geschichte starker Frauen in Magdeburg endet bei Mechthild von Magdeburg – wohl die erste bedeutende Frau in der Elbestadt. Ihr Werk „Das fließende Licht der Gottheit“ ist nicht nur das älteste erhaltene Zeugnis weiblicher mystischer Theologie in deutscher Sprache, sondern es ermöglichte allen Anhängern ohne priesterliche Vermittlung, mit Gott in Verbindung zu treten. Somit stellte sie das Konzept der Kirche in Frage – ein mutiges und zugleich gefährliches Unterfangen für eine Frau ihrer Zeit, das sich die Männer scheinbar nicht wagten.
Die Führung ist also mal eine ganze andere Reise in die Vergangenheit Magdeburgs, die belegt, dass es schon seit dem Mittelalter starke Frauen gibt, die sich nicht mit der gesellschaftlich gegebenen Geschlechterrolle abfinden wollten und die Literatur als Medium nutzten, um sich mit den Männern auf eine Stufe zu stellen.
Nastasia Pape