Ein Gespräch über Leben und Kunst mit Viktoria Veil.
KOMPAKT MAGAZIN: Frau Veil, haben Sie sich mit dem Leben als Künstlerin einen Traum erfüllt?
Viktoria Veil: Mein Leben hat sich noch nicht erfüllt. Fragen Sie mich das nach dem Leben noch mal. Ich verbinde mein künstlerisches Schaffen eher mit dem Wort Sinn.
Haben Sie einen Sinn gesucht?
Mit 13 Jahren fand ich keinen Platz für mich und sah im Leben keinen Sinn. Dann reiste ich mit meinen Eltern in ein kleines litauisches Städtchen und beobachtete dort eine Künstlerin, die dabei war, eine Ausstellung vorzubereiten. Das war mein Schlüsselerlebnis und ich wollte unbedingt malen lernen. Mein Vater ist Wissenschaftler und lehrte als Professor Elektronik. Vielleicht war seine Sicht auf die Welt oft rational und praktisch. Und deshalb reifte in mir die Sehnsucht nach anderen Weltbildern.
Möchte heute nicht jeder irgendwie ein Künstler sein?
Die Welt ist überfüllt mit Bildern. Jeder kann sich Künstler nennen und glaubt auch, Kunst zu produzieren. Nur drei Prozent aller Künstler können von ihren Werke leben.
Also bleibt es ein großer Traum, als Künstler leben zu können, jedenfalls existenziell?
Häufig herrscht die Vorstellung, dass Begabung der ausschlaggebende Anteil an der Profession des Künstlers sei. Aber zunächst muss man sein Handwerk lernen. Wer sein Handwerk nicht beherrscht, kommt nicht weiter. Das erkennt man sehr genau. Wenn jemand nicht richtig Klavier spielen kann, hört man das sofort. So ist das auch mit Bildern. Das Wichtigste ist wohl, dass man Kunst nicht einfach nebenbei machen kann. Man muss sichtbar sein, seine Kunst leben, immer und überall. Im stillen Kämmerlein zu malen, bringt nichts. Ein gewisses Maß an Exhibitionismus gehört zum Leben von Künstlern. Ich wollte anderen meine Welt zeigen.
Sind Sie sicher, dass jeder den perfekten Handwerker in einem Gemälde sehen kann?
Nicht jeder kann Kunst sehen. Ohne eine entsprechende Vorbereitung geht das nicht. Bildung ist der wichtigste Leitfaden, um in einem Kunstwerk lesen zu können. Nicht jeder Mensch asiatischer Abstammung wird Werke von Michelangelo verstehen, wenn er dessen Geschichte und die Umstände seiner Zeit nicht kennt und keine tiefere Wurzel in unsere Kultur findet. Wir werden den tibetanischen Kunstausdruck nicht verstehen, weil uns der differenzierte und gelebte Zugang zu dieser Kultur fehlt.
Sie meinen, unsere Wertvorstellung von einem Bild wird anderenorts nicht geteilt?
Manche geben für Luxusschuhe so viel Geld aus, wie man für ein gutes Bild bezahlen müsste. Was ist was wert? Auf diese Frage wird es nie eine allgemeine Antwort geben.
Wie finden Sie die Orientierung dafür, was Sie in einem Bild ausdrücken möchten?
Soll ich mich meinen Ideen widmen oder malen, was nachgefragt wird? Danach entscheide ich nicht. Meine Sicht auf die Welt – die ist in meinen Bildern.
Stehen für Sie Botschaften oder eher Gefühle im Mittelpunkt eines Bildes?
Das kann ich nicht trennen. Wenn ich die Sichtweise eines Betrachters beeinflussen könnte, würde ich ihm gern einpflanzen, eher die Botschaft zu erkennen.
Sie sind 2003 von Kiew nach Magdeburg übergesiedelt. Was hat Sie hierher gezogen?
Ich hatte Ende 1997 eine Ausstellung in Kiew und wurde damit nach Magdeburg eingeladen. Dann war ich hier, habe zwei- oder dreimal pro Jahr eine Ausstellung gemacht und viele Menschen kennengelernt. 2000 war eine besonders gute Zeit, auch wegen erfolgreicher Verkäufe. Ich habe die Stadt wie einen Kurort erlebt. Die Luft war frisch, das Klima angenehm, nur wenige Autos sind unterwegs, alles ist leicht erreichbar. Kiew ist ganz anders. Magdeburg war wie eine Burg für Träume. Das hat mich angetrieben, mein Leben zu verändern.
Wohin hat Sie die Traumburg gebracht?
Dazu, meine Dozentenstelle für Malerei und Komposition an der Kunstakademie Kiew und meine Galerie aufzugeben. Ich kam ohne Sprachkenntnisse hierher. Und nun bin ich eben da.
Und wohin wollen Sie jetzt?
Ich will immer wieder in meine Bilder. An der Jugendkunstschule werde ich weiter unterrichten. Wenn man etwas kann, muss man anderen etwas davon vermitteln. Außerdem ist Magdeburg idealerweise mitten in meiner Welt. Von hier aus komme ich schnell an jeden Ort Europas.
Dann sind Sie stets in Unruhe?
Was ist Ruhe? Die Natur bestraft Stillstand. Leben ist Bewegung. Künstler dürfen nie stehen bleiben.
Sie kennen wohl keine Grenzen?
Ich kenne meine Grenzen sehr gut, gerade als Malerin. Meine Grenzen setzen ein Blatt Papier oder die Ausmaße einer Leinwand. Innerhalb dieser Grenzen muss ich meine grenzenlose Welt sichtbar machen können. Glauben Sie mir, dass ist kein einfaches Unterfangen. Sie verstehen jetzt, warum sich mein Leben noch nicht erfüllen konnte. Jedes Blatt wird zu einer Grenzerfahrung, über deren Rand ich stets hinaus muss.
Fragen: Thomas Wischnewski
Viktoria Veil
1969 geboren in Kiew
1976 – 1983 allgemeinbildende Schule in Kiew
1983 – 1988 Gymnasium mit künstlerischer Zusatzausbildung in Kiew
1988 – 1994 Kunststudium an der Kunstakademie, Kiew; Abschluss: Meister für graphische Technik, Lithographie, Gravur, Kunstdruck sowie Zeichnung, Malerei, Komposition und Illustration einschließlich Kunstgeschichte
ab 1994 Mitglied des Künstlerverbandes der Ukraine
ab 1995 Dozentin für Malerei und Komposition an der Kunstakademie Kiew, Fakultät für Graphik; Galeriemanagement; Organisation diverser internationaler Ausstellungen und Kunstfestivals; Beiträge für verschiedene Fachzeitschrif-ten; Teilnahme an Ausstellungen in der Ukraine, in Russland, Deutschland, Frankreich, Spanien u.a.
seit 2003 freischaffende Künstlerin in Magdeburg
Atelier Viktoria Veil
Gaertnerstrasse 7
39104 Magdeburg
Telefon: 0391 / 731 49 94
E-Mail: viktoriaveil@gmail.com
Internet: www.viktoria-veil.de