Das traditionsreiche Fußball-Hallenturnier um den Kroschke-Cup bietet Teams aus der Landeshauptstadt die Chance, sich mit dem Platzhirsch 1. FC Magdeburg zu messen. 2017 zieht das Event aus der Gieselerhalle in die Getec-Arena um.
Von Rudi Bartlitz
Einmal einen der Großen so richtig ärgern, ihm einen Strich durch die Rechnung machen. Zeigen, dass auch die sogenannten Kleinen ihr Handwerk verstehen, im Umgang mit dem Ball einiges drauf haben. Und das nicht etwa nur in einem belanglosen Testspiel, sondern in einem richtigen Wettbewerb. Was gibt es für einen Fußballer Schöneres? Für die meisten Kicker unterklassiger Vereine bleibt dieser Traum – von einem glücklichen Pokal-Los vielleicht einmal abgesehen – ein Leben lang (leider) unerfüllt.
Anders sieht es da schon für die Magdeburger Teams aus der Stadtoberliga, der Landesklasse, der Landesliga oder der Verbandsliga aus. Einmal im Jahr, und zwar gleich in den ersten Januarwochen, bietet sich ihnen unterm Hallendach die Chance, mit dem regionalen Leuchtturm, dem 1. FC Magdeburg, beim traditionsreichen Turnier um den Kroschke-Cup die Kräfte zu messen. Nach dem Aufstieg der Blau-Weißen in den Profifußball war es diesmal verlockender denn je.
Die Kicker vom MSV Börde machten da keine Ausnahme. Die Männer von der Harsdorfer Straße gehörten diesmal zu den ersten, die den Drittligisten im Turnierverlauf fordern durften. Nachdem die Härtel-Schützlinge Neuntligist MSC Preussen klar mit 8:0 abgefertigt hatten, machte das Wort vom Durchmarsch des FCM die Runde unter den froh gestimmten 1500 Fans in der Gieselerhalle: „Die hält keiner auf“, „Das sind Klassenunterschiede“. Doch da hatten sie die Rechnung ohne den Verbandsligisten Börde gemacht. Frisch und munter spielte er auf, ein Mehrklassen-Unterschied war nicht auszumachen. Ja, schlimmer noch, zweimal verblüfften die Rot-Weißen den Gegner mit gekonnten Hebern aus größerer Entfernung, die zu Toren führten. „Das war kein Zufall, die Treffer waren so gewollt“, freute sich Trainer Martin Riemann hinterher. „Wir haben den FCM ein wenig dafür bestraft, dass er mit einem fliegenden Torwart antrat. Da muss man schon damit rechnen, dass wir dies eiskalt ausnutzen.“ Am Ende büßte der FCM beim 2:2 überraschend zwei Zähler ein.
Riemann nahm`s mit einem verschmitzten Lächeln. „Vor einer solchen Partie muss man den Jungs nicht viel sagen“, beschrieb er seine „Strategie“ gegen die Profis. „Grundregel eins: Es gibt auch in einem solchen Spiel nur einen Ball. Ich habe ihnen einfach Mut gemacht und gesagt, sie sollen Spaß an dieser Partie haben. Wie man gesehen hat, hatten sie viel Spaß. Und natürlich haben wir ein wenig darauf spekuliert, dass bei einem fliegenden Keeper sich die eine oder andere Möglichkeit ergibt …“ Für den MSV, der in der Verbandsliga derzeit nur auf dem vorletzten Platz rangiert, war es übrigens innerhalb von wenigen Monaten bereits das zweite Mal, dass er auf den FCM traf. Schon im Herbst hatte er im Landespokal nicht nur das Glückslos gezogen und beim 0:3 vor 2000 Zuschauern im Germer-Stadion eine gute Figur gemacht. „Vielleicht“, hofft Riemann, „gibt uns der gute Auftritt jetzt gegen den FCM ein wenig Schwung für die Rückrunde …“
Als wäre der MSV Börde Wachrüttler und Wegweiser zugleich gewesen, wuchs später im Turnier auch TuS 1860 Neustadt gegen den übermächtigen FCM über sich hinaus. Ein Treffer in allerletzter Sekunde sorgte für ein überraschendes 3:3, nachdem sich der Favorit nach der 3:2-Führung durch Manuel Farrona Pulido (später als bester Spieler des Turniers ausgezeichnet) seiner Sache bereits sicher zu sein schien. Vier Punkte hatten die Blau-Weißen unterm Strich also bereits in der Vorrunde gegen underdogs abgegeben. Trainer Jens Härtel nahm es ebenso sportlich wie das spätere Scheitern seiner Jungs im Halbfinale (3:4 nach Neunmeterschießen gegen Regionalligist Germania Halberstadt). „Klar werfen sich die unterklassigen Teams gegen uns besonders rein, aber das ist schon in Ordnung. Der Spaß steht hier an erster Stelle.“
Dass er, unabhängig vom Kroschke-Cup, kein Freund des Balltretens unterm Hallendach ist, verhehlt der 46-jährige Sachse nicht. Das war auch in der Gieselerhalle zu beobachten, als er – völlig ungewohnt – während der Begegnungen seiner Jungs kaum eine Regung an der Bande zeigte und das Einstimmen seines Teams weitgehend Co-Trainer Ronny Thielemann überließ. „Die Zeit als noch das Hallenmasters mit den Bundesligisten gespielt wurde, ist vorbei. Die Bedeutung des Hallenfußballs hat in Deutschland abgenommen – oft geht es auch zu verbissen zu. Er stört in der Vorbereitung auf die Rückserie in der Liga und es würde, wenn man ausgiebig drinnen spielt, viel Zeit kosten. Zudem kommt in der Halle eine große Verletzungsgefahr hinzu, die unterschiedlichen Bodenbeläge beanspruchen die Muskulatur oft zu sehr. Deshalb haben wir uns auch von den Turnieren zurückgezogen, spielen nur noch den Kroschke-Cup, denn da sind wir ja der Gastgeber.“
Doch ganz ohne eine (kleine) Erkenntnis blieb der Cheftrainer an diesem Abend dann doch nicht. „Unser Neuzugang Sebastian Ernst, der erst seit dem 4. Januar bei uns ist, hat seine Sache recht ordentlich gemacht“, lobte der als höchst kritisch bekannte Coach. Ernst (20), der im offensiven Mittelfeld zum Einsatz kommen soll und einen Marktwert von 200 000 Euro hat, war in der Winterpause vom U23-Team des Bundesligisten Hannover 96 an die Elbe gewechselt. Es war sein erster Auftritt vor den FCM-Fans. Härtel: „Auf seiner Position besteht bei uns Bedarf. Man hat gesehen, er geht sehr engagiert zur Sache und ist auch torgefährlich. In den ersten Trainingseinheiten hat er einen guten Eindruck hinterlassen.“
Ein guten Eindruck hinterlassen hat, alles in allem, auch der letzte Auftritt des Kroschke-Cups in der Gieselerhalle; im nächsten Jahr wechselt das Turnier aus der sanierungsbedürftigen einstigen Gemüsehalle in die Getec-Arena. Es war ein wehmütiger Abschied gleich im doppelten Sinn: nicht nur von einem wegen seines morbiden Charmes beliebten Spielort, sondern ebenso von „Mister Kroschke-Cup“, Heiner Laugisch. Der umtriebige Unternehmer hatte als Hans Dampf in allen Gassen das Turnier in den letzten Dutzend Jahren zu dem gemacht, was es heute ist: ein Magnet für die Fußballfans, ein nicht mehr wegzudenkender Bestandteil des Magdeburger Sportkalenders. Jetzt bei seinem Abschied wurde der 78-Jährige, nach gerade überstandener Hüftoperation, mit stehenden Ovationen verabschiedet.
Der neue Chef stand an diesem Abend keinen Meter von Laugisch entfernt: Peter Fechner, Präsident des 1. FC Magdeburg. Unter der Ägide des Klubs wird das Turnier in den nächsten Jahren fortgeführt. „Als Heiner Laugisch seinen Abschied signalisierte, waren wir uns im Verein einig: Dieses Event darf nicht sterben. Das sind wir den Magdeburgern einfach schuldig. Da sehen wir uns, auch was die Traditionspflege betrifft, in der Pflicht. Denn was gibt es Schöneres, als die Fußballvereine der Landeshauptstadt, ob groß oder klein, und ihre große Familie einmal im Jahr zusammenzuführen.“
Auch dann, wenn der nunmehr seit sechs Jahren auf einen Turniererfolg wartende haushohe Favorit, wie diesmal geschehen, am Ende nur auf Rang drei landet? Fechner: „Die Trauer hält sich in Grenzen. Das Ergebnis ist nicht so wichtig, Spaß und Freude stehen im Vordergrund.“ Der Präsident hält kurz inne: „Andererseits, wenn ich es mir so richtig überlege, ein dritter Platz, der hat schon etwas. Wenn wir beispielsweise am Saisonende in der Dritten Bundesliga Dritter wären …“ Ja, dann – ja, dann hätte der 1. FC Magdeburg tatsächlich das heute noch Unaussprechbare geschafft und stände in der Relegation für die Zweite Bundesliga. Derartige Gedankenflüge wollte der 60-Jährige jedoch nur als Scherz verstanden wissen …
Kompakt
Das Hallenfußballturnier um den Kroschke-Cup wird seit 2001 in der Magdeburger Hermann-Gieseler-Halle ausgetragen. An ihm nehmen neben Magdeburger Klubs regelmäßig auch Vereine aus der Region teil. Große Teile des Erlöses der Veranstaltung werden der Förderung des Nachwuchssports in der Landeshauptstadt zur Verfügung gestellt. In der 16-jährigen Geschichte kamen über 300 000 Euro zusammen. Rekordsieger ist der 1. FC Magdeburg, der den Pokal insgesamt sieben Mal gewann. 2016 setzte sich Regionalligist Germania Halberstadt im Finale mit 2:1 gegen Fortuna Magdeburg durch und verteidigte damit den im Vorjahr gewonnenen Wanderpokal. Als bester Spieler des Turniers 2016 wurde Manuel Farrona Pulido (FCM) geehrt, erfolgreichster Torschütze war Denis Neumann (FSV Barleben/6 Treffer), die Auszeichnung als bester Torhüter erhielt Manuel Müller (Fortuna Magdeburg).