Jeder Zehnte im Land schafft den Schulabschluss nicht. Und nun?
Jeder zehnte Schüler in Sachsen-Anhalt verlässt die Schule ohne Abschluss. Damit ist die Quote fast doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt. Spitzenreiter sind wir auf diesem Gebiet schon länger.
Laut Kultusministerium sei der Schnitt von 12,7 Prozent bereits durch das Programm „Schulerfolg sichern“ um 3 Prozent gesenkt worden. Welche Fragen führen uns an den Kern des Problems: Leben bei uns begriffsstutzigere Kinder? Und wenn ja, welchen Anteil daran hat das Elternhaus? Oder sind bei uns einfach die Ansprüche zu hoch? Sollte dies der Fall sein, wer hat das veranlasst? Die Ansprüche des Kultusministeriums scheinen hin und wieder schon über allgemeine Maßstäbe hinaus zu galoppieren. So bekam ein Lehrer aus Frankreich trotz erfolgreichen Staatsexamens und Referendariats hierzulande keine Zulassung. In Berlin war das dagegen kein Problem. Übrigens ist dieses Los kein Einzelfall. Pädagogikstudenten berichten regelmäßig über komplizierte Wege in den sachsen-anhaltischen Lehrerdienst. Gut, man könnte nun vermuten, dass hinter diesen Hürden ein besonderer Anspruch für die Elitenbildung steckt. Das klingt zunächst positiv. Doch bei näherer Betrachtung müsste man schließen, dass genau diese ausgebildeten Eliten später das Land verlassen, weil anderenorts bessere berufliche Perspektiven und höhere Einkommen winken. Sollte also ein derartiges Konzept in der strengeren Selektion von Schülern und Fachkräften stec-ken, wäre es unterm Strich kurzsichtig gedacht. Meistens stehen Schulen nicht unter einem sonderlich großen Verdacht, außergewöhnliche Qualitäten abzuverlangen. Das Argument einer Elite-Förderung scheint daher unwahrscheinlich. Die andere Seite dieses Schüler-Phänomens wäre in den Defiziten der Heranwachsenden zu orten. Zu fragen wäre ergo: Wo und unter welchen Umständen bzw. wie wachsen diese auf, dass jeder Zehnte am Maßstab allgemeiner Schulbildung scheitert? Letztlich müssten einige Ursachen für einen erfolgreicheren Abschluss bei Eltern und im sozialen Umfeld gesucht werden. Man kann die Tatsache also bejammern und sagen, die vorhandenen Sachsen-Anhalter als Erziehergeneration können wir uns leider nicht neu backen. Oder trifft am Ende doch der alte Spruch aus den 90er Jahren zu, das ehemalige Gebiet der DDR ist mit „Der Doofe Rest“ zu beschreiben? Fürs Selbstwertgefühl aller wäre dies eine fatale Schlussfolgerung. Die weitere Überlegung müsste dann dazu führen, dass die verbliebenen Einwohner in ihrer Grundgesamtheit kaum noch in der Lage wären, die Entwicklung umzukehren. Gott sei Dank gibt es ermutigende Nachrichten über erfolgreiche Mathe-Asse. Doch was nutzen diese den Gescheiterten?
Thomas Wischnewski