Geistige Behinderung

thomas_editorialÜber ein ganz geheimes Ministerium.

Aufs Konto lässt sich niemand gern gucken. Wer wie viel hat, ist privat ein gut gehütetes Geheimnis. Das versteht jeder. Schließlich haben die einen Angst vor Neidern und die anderen Bedenken, sie könnten im Ansehen sinken, weil die verfügbaren Beträge zu schmal sind. Wenn es um öffentliche Gelder geht, ist das anders. Über die Finanzen aus dem Steueraufkommen der Gemeinschaft muss Rechenschaft abgelegt werden, im Zweifelsfall sogar auf Heller und Pfennig.

Ach so, Heller und Pfennig sind Währungsbezeichnungen aus lange vergangenen Zeiten. Allerdings gilt das Prinzip heute für Euro und Cent auch. Nur im sachsen-anhaltischen Sozialministerium scheint eine gewisse Behinderung gegenüber dieser Rechenschaftspflicht zu existieren. Die Landtagsabgeordneten Eva von Angern und Dagmar Zoschke (beide von der Partei Die Linke) hatten von Sozialminister Norbert Bischoff wissen wollen, in welcher Weise 42 Millionen Euro aus dem Etat des Ministeriums jährlich für Menschen mit Behinderungen verwendet würden. Die Fragestellerinnen erhielten zwar ein paar Zahlen, aber mit wenig Aussagekraft. Nähere Angaben wurden mit dem Hinweis verwehrt, dies berühre  den Sozialdatenschutz sowie das Geschäftsgeheimnis einzelner Träger. Mit solchen Argumenten wähnte man sich hinter sicheren ministeriellen Mauern. Und wer spricht schon gern über Behinderungen. Eva von Angern und Dagmar Zoschke zogen vor das Landesverfassungsgericht nach Dessau. Die Richter kritisierten mit ihrer Urteilsverkündung am 25. Januar die Geheimniskrämerei von Staatssekretärin Anja Naumann und ihren Ministerialbeamten. Sie verwiesen eindringlich auf die Auskunftsrechte der Abgeordneten und sahen den Sozialdatenschutz gewährleistet. Eigentlich hatten die Politikerinnen nur wissen wollen, wie viel Geld an welche Träger geht und welche Projekte gefördert werden. Eine möglichst gerechte Verteilung wollte man sehen. Aber Gerechtigkeit ist  ministeriell eben eine geheime Sache. Wenn jemand etwas verbergen will, liegt stets ein übelriechender Nebel über allem. Für das Sozialdatenschutz-Argument hatte man im Ministerium nicht einmal nach einer guten Begründung gesucht. Soll man da Überheblichkeit, Dümmlichkeit oder Motive des Verbergens unterstellen? Es bleibt der Eindruck, als dürften Bürger nicht erfahren, wie Teile des gesellschaftlichen Steueraufkommens verwendet werden. Klar, wenn jeder Einrichtungsträger wüsste, was seine Mitakteure bekämen, könnte ja Neid entstehen. Oder jemand käme auf die Idee, wegen Benachteiligung zu klagen. Soziale Förderung ist eben so geheim wie ein Geheimdienst. Vielleicht sollte man im Sozialministerium über einen Antrag zur  Projektförderung nachdenken. Warum? Um Verantwortliche mit geistiger Behinderung zu unterstützen.
Thomas Wischnewski